Crowdfunding ist in der Rollenspielszene manchmal mehr als Marketing
Dieser Artikel ist eine Reaktion von Patrick Jedamzik von System Matters auf den gestrigen Gastartikel von Krassling (Nandurion). Der Artikel wurde zuerst in Patricks Blog patje.de veröffentlicht. Mit freundlicher Genehmigung dürfen wir ihn auch bei PnPnews publizieren.
Bei PnPnews erschien vorhin ein Artikel, der sich mit Crowdfundings beschäftigt und zuvor auf Nandurion erschienen ist. Der Artikel sagt viel Wahres, aber beginnt mit einer Kernaussage, die sich aus einem Interview „des dicken Preußen“ mit Jens Ullrich ergibt, der „Die Schwarze Katze“ geschrieben hat und sich in dem Zusammenhang über das Crowdfunding unterhält.
Circa bei Minute 5 sagt er, dass es ihn „sehr, sehr wundern“ würde, wenn die Finanzierung von Rollenspielen im Rahmen von Crowdfundings wirklich der Finanzierung dienen würde. Dies mache kaum ein Verlag aus diesem Grunde und selbst Privatpersonen könnten das eigentlich anders stemmen.
Im Artikel führt das im Fazit zu folgender Aussage:
Ob man ein konkretes Crowdfunding unterstützen möchte, sollte man also im konkreten Fall gut abwägen. Die Sorge, dass der Verlag auf das Geld angewiesen ist, sollte jedoch nicht die Motivation dafür sein. Dann doch lieber noch mal schauen, ob das Geld nicht im Moment an anderer Stelle sinnstiftend eingesetzt werden kann, zum Beispiel, um einem Verlag in Geldnot mit Käufen unter die Arme zu greifen.
Ich halte das für eine sehr gefährliche Aussage, da sie im Kern auf Erfahrungen basiert, die bei Ulisses stimmen mögen, bei Uhrwerk wäre ich schon unsicherer. Aber bei vielen kleineren Verlagen ist Crowdfunding (oder wie wir es nennen die „bedingte Vorbestellung“) ein wesentliches Element der Finanzierung.
Crowdfunding oder „bedingte Vorbestellung“
Damit dann auch zu Beginn der Disclaimer, einige Begriffserklärungen und Vorbemerkungen. Ich bin, wie vielleicht bekannt, einer der beiden Gesellschafter der „Jedamzik und Neugebauer GbR“ – eher bekannt als System Matters Verlag. Wir sind damit durchaus ein Rollenspielverlag und wir führen Crowdfundings durch. Wir nennen sie „bedingte Vorbestellungen“, weil wir Crowdfunding nach dem benennen, was es ist: Eine Vorbestellung mit allen Verbraucherrechten, die aber nur dann erfüllt werden kann, wenn es genügend Vorbestellungen gibt. Eine genauere Erläuterung zu unserem Begriff der Vorbestellung und des Crowdfunding findet ihr auf der Verlagsseite. Ich werde der Einfachheit halber hier jetzt vom Crowdfunding sprechen, wenn wir als Verlag die Begrifflichkeit „bedingte Vorbestellung“ genutzt haben.
Und vielleicht noch etwas dazu, wenn ich andere Verlage nenne: Es sind alles Vermutungen und vor allem niemals Angriffe oder Wertungen. Ulisses nutzt Crowdfundings ganz offensichtlich anders und finanziell erfolgreicher als wir – das zeigt deren Übersicht eindrucksvoll. Es ist einfach schwer, den Klassenprimus mit einem Kleinverlag zu vergleichen, und um genau darum geht es hier. Ich selber unterstütze auch gerne Projekte anderer Verlage – unabhängig davon, ob die Finanzierung jetzt mehr oder weniger notwendig für das Projekt ist.
Manche Verlage brauchen Crowdfunding eben doch
Zum Thema: Es gäbe System Matters nicht ohne Crowdfunding. Es gäbe geschätzt 90 % unserer Produkte nicht ohne Crowdfunding, und die anderen mangels Erfolg wahrscheinlich auch nicht. Nach dem Regelwerk haben wir selbst den Nachdruck von Beyond the Wall mit Crowdfunding finanzieren müssen. Wir machen aber auch nicht alles über Crowdfunding. Die „kleine Reihe“ ist nahezu komplett aus eigenen Mitteln finanziert worden, ebenso die meisten Abenteuerbände. Das ist uns auch sehr wichtig, denn wir wollen dieses Mittel nicht überstrapazieren. Aber um ein aktuelles Beispiel zu wählen, wäre der Ergänzungsband für Dungeon World „Verhängnisvolle Welten“ ohne die Einnahmen der SPIEL und dem Überschuss im DCC-Crowdfunding sicherlich auch mal eben nicht zu finanzieren gewesen. (Kommt diese Woche in den Shop und erscheint Ende des Monats.)
Nach dieser Einleitung also die wichtige Aussage, dass es für uns wirklich etwas bedeutet, wenn dort 20.000 Euro für Dungeon Crawl Classics, 8.000 Euro für Abenteuer gestalten oder zu Beginn eben 4.000 Euro für Beyond the Wall aufgerufen werden. Wir haben dann in der Regel schon viel in Übersetzung etc. gesteckt, also durchaus Vorleistungen erbracht. Die müssen aber meist auch noch bezahlt werden, und damit gehen wir durchaus auch ein Risiko mit jedem Projekt ein.
„Wenn wir diese Summe nicht erreichen, wird es kaum möglich zu drucken.“
Es gibt natürlich auch die genannten Nebeneffekte wie den Test des Interesses oder das Marketing (dazu später mehr). Aber am Ende steht eine Aussage: Wenn wir diese Summe nicht erreichen, wird es kaum möglich zu drucken. Und darum finde ich die Aussage von Jens Ullrich auch sehr fatal. Wie gesagt: Für Ulisses mag das alles stimmen. Wäre dort das Crowdfunding für Die Schwarze Katze gescheitert, wären – wenn das Crowdfunding nicht zur Prüfung des Interesses diente – die 7.500 Euro sicherlich auch gefunden worden. Wenn wir aber die 9.000 Euro für So tief die schwere See nicht erreicht hätten, gäbe es das Buch nur als PDF und wir hätten gucken müssen, ob das am Ende gereicht hätte, um das Layout, Übersetzung, etc. zu bezahlen.
Rechenbeispiele zur Auflage eines Bandes
Und um die Aussage von Jens Ullrich aufzugreifen, dass auch das kleineRollenspiel im Eigenverlag ohne Crowdfundingmöglich wäre, mal einige Zahlen. 50 Exemplare eines 152-Seiten-Buches (kleiner als Beyond the Wall) kosten schwarz/weiß als Softcover rund 120 Euro (inkl. MwSt). Wenn man allerdings dem Trend folgt und farbig mit Hardcover wird, liegt man bei ca. 540 Euro. Das sind jetzt einfache Zahlen von Wir-Machen-Druck und damit natürlich stark vereinfacht. Da ist viel Spielraum nach oben, mit einer Druckerei im Ausland vielleicht auch nach unten. Ich habe jetzt keine konkreten Zahlen von uns gesucht. Je nach privaten Verhältnissen kann man sowas machen. Dann hat man aber das Layout selber gemacht, die Illustrationen auch und Freunde Korrektur lesen lassen. Sonst kann man bei einem Buch gut nochmal den gleichen Betrag drauf rechnen – hier wahrscheinlich mehr, weil die Auflage extrem klein ist. Ganz simpel ist es also sicher auch nicht.
Wer Lust hat, kann das Spiel beliebig weiterführen, nimmt ein Buch aus dem Regal und rechnet einen ungefähren Produktionspreis aus. Nicht immer ist die Auflage bekannt. Aber ich behaupte mal, dass man mit 500–1.000 bei großen Werken oft nicht falsch liegt und ja:Crowdfunding hilft dabei, die Auflage festzulegen. Bei Abenteuer gestalten und DCC sind wir beispielsweise nach oben gegangen. Bei Schwere See können wir erahnen, dass es wahrscheinlich so schnell keinen Nachdruck braucht und zweifelhaft ist, ob man ihn macht.
Weitere Einflüsse auf den Produktionspreis
Als Verlag hat man vielleicht Angestellte, andere Druckereien und achtet noch stärker auf Papierstärken, Lesebändchen, etc. Das hat alles Einfluss auf den Produktionspreis. Aber für einen ersten Blick mag eine solche Spielerei zeigen, ob ein Crowdfunding wirklich ein Projekt komplett finanziert – oder nicht. Wenn man am Ende multipliziert mit Zwei in den Bereich des Wunschwertes kommt, ist es wahrscheinlich, dass das Crowdfunding alles abdeckt. Liegt man sehr weit drunter, ist es wahrscheinlich (!) eher eine Teilfinanzierung. Und nochmals: Das wäre genauso okay, weil es eben zeigen kann, wie die Nachfrage nach einem Spiel oder gar einer Spielreihe ist, oder im Rahmen der Verlagsfinanzierung den Teil liefert, den man alleine nicht aufbringen kann oder möchte. Das hängt alles von Verlag und Verlag bzw. Projekt für Projekt ab. Und vor allem: Nagelt mich nicht auf diese sehr, sehr vereinfachte Rechnung fest, die wahrscheinlich in keinem Fall komplett richtig ist.
Extreme Spannweite auf dem Rollenspielmarkt
Ansonsten nochmal betont: Keine Kritik am Autor des Artikels, der die vielen Aspekte des Crowdfundings ja sehr gut dargestellt hat. Alles andere in dem Artikel stimmt komplett. Natürlich mit unterschiedlicher Gewichtung, weil bei uns beispielsweise der Großteil sowieso Direktverkäufe sind. Diese Frage spielt darum eine geringere Rolle, als bei anderen Verlagen. Dafür ist bei uns eben die Finanzierungsbedeutung weitaus größer, als bei anderen. Darum hat mich die absolute Aussage „Verlage brauchen die Finanzierung durch Crowdfunding eigentlich nicht“ aus dem Podcast auch etwas getriggert. Die Spannweite im Rollenspielmarkt ist eben sehr extrem. Denn neben uns gibt es noch viele, viele kleinere Verleger und Autoren, die sicherlich einen solchen Artikel nochmal aus einer ganz anderen Sicht schreiben würden.
Aber eins eint dann doch alle Verlage: Die Lust darauf unser Hobby voran zu bringen. Wie auch immer wir das finanzieren würden, muss ich einfach mit der wichtigen Forderung enden: Kauft mehr Rollenspiele!