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Interview mit der Redaktion Phantastik

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Wir präsentieren euch unser erstes Interview, welches wir mit Sylvia Schlüter von dem Rollenspiel-Verlag Redaktion Phantastik geführt haben. Viel Spaß damit!

Stellt euch doch mal vor und erzählt uns, wie ihr zum Rollenspiel gekommen seid.

Es war in der Cafeteria der Geisteswissenschaftler der Ruhr Universität Bochum, damals, 1986, da saßen etwa zehn Studenten (unter anderen auch ich) an einem Tisch und unterhielten sich über Seminare und Seminararbeiten oder lästerten über ihre Professoren. Doch zwei Studenten, ein blonder, etwas stämmiger Student und eine braunhaarige Studentin mit Brille, sprachen angeregt über ein außergewöhnliches Erlebnis, das sie am Vorabend gemeinsam durchgestanden hatten. Die Studentin berichtete, das sie mit EINEM Schlag drei Orks den Kopf abgeschlagen hatte und wie die Schädel dann durch das Gewölbe kegelten. Sie konnte ihr Glück immer noch nicht fassen, da sie anscheinend extrem gut gewürfelt hatte, was ihr diesen kritischen Erfolg beim Angriff ermöglicht hatte.

Die anderen Studenten sahen sich irritiert zu ihr um und einer nach dem anderen verließ den Tisch. Ich nicht. Mein Interesse war geweckt. Das mussten diese Rollenspieler sein, dachte ich bei mir! Ich hatte schon einiges darüber gelesen und wollte das unbedingt mal ausprobieren, aber ich kannte niemanden, der das spielte. Natürlich sprach ich die beiden an und so begann es.

Das dunkelhaarige Mädchen war übrigens Ulrike Pelchen, heute zusammen mit mir Mitinhaberin der Redaktion Phantastik und meine beste Freundin.

Wir haben seitdem eine feste Rollenspielgruppe, die sich leider immer seltener zum Spielen trifft.

Gebt uns doch mal einen kurzen Überblick über eure Rollenspiele.

Unseren Verlag haben wir gegründet im Jahre 1998, weil wir einen Taschenkalender für Rollenspieler herausgeben wollten, mit redaktionellen Beiträgen und einer Adressenliste mit Vereinen, Händlern und Verlagen. Das haben wir auch vier Jahre lange gemacht, aber niemand wollte 12,50 DM bezahlen für einen Kalender, den man in anderer Form auch in der Apotheke geschenkt bekam.

Also haben wir das Projekt aufgegeben und stattdessen die Reihe Master’s Survival Pack entwickelt. Uns war aufgefallen, dass es keine guten universellen Grundrisse von Gebäuden für unser Hobby gab. Dem wollten wir Abhilfe schaffen. Die erste Mappe mit Kopiervorlagen und Ringbindung hieß dann auch Master’s Survival Pack I  – Grundrisse für jede Gelegenheit. Mittlerweile gibt es acht Mappen zu unterschiedlichen Themen wie Dörfer, Dungeons, Schiffe oder Gaslight. Das letzte Produkt aus dieser Reihe Master’s Survival Pack VIII  ist ein Softcover mit Klebebindung, behandelt das Thema Rätsel und erschien dieses Jahr zur RPC. Alle Mappen gibt es auch als CD mit den Grundrissen als Dateien, damit der geneigte Master sie noch für seine Belange verändern kann. Aber wir wollten uns auch an ein Rollenspiel wagen und wurden bei der Lizenz für Private Eye fündig, die wir erwarben. Bei diesem Rollenspiel wandelt man auf den Spuren von Sherlock Holmes und löst im viktorianischen England Kriminalfälle. Wir bringen immer noch regelmäßig neue Detektivabenteuer dafür heraus und können mittlerweile auf eine Geschichte von mehr als 50 Szenarien zurückblicken. Das Grundregelwerk haben wir schon zweimal überarbeitet (wir sind aktuell bei der fünften Auflage) und es erfreut sich immer größerer Beliebtheit.

Danach kam Wolsung, ein sehr buntes und cineastisches Steampunk-Rollenspiel aus Polen, mit außergewöhnlichen Regeln, bei denen auch Spielkarten und Tokens zum Einsatz kommen. Leider ist hierfür immer noch nicht das endgültige Regelwerk erschienen, aber wir arbeiten daran. Mit unserem Wolsung Trailer, dem Set für Schnellstarter und den beiden Urdapedia 1 und 2 hat man aber das Rüstzeug, das man zum Spielen und zur Charaktererschaffung braucht.

Jörg Köster suchte einen Verlag für sein Dark-Fantasy-Rollenspiel Seelenfänger, da er die neue Auflage nicht mehr in Eigenregie herausbringen wollte, und nach einigem Hin und Her landete er bei uns. Wir machten gemeinsam ein Crowdfunding, das erfolgreich abgeschlossen wurde. Täuscherland, der erste Band zu Seelenfänger, ist gerade in den Verkauf gegangen und kommt bei den Fans gut an.

Als letztes haben wir Finsterland ins Boot geholt, ein eher düsteres Steampunk-Rollenspiel aus Österreich, das aber hier in Deutschland auch schon eine feste Fangemeinde hat.

Was ist eure Firmenphilosophie? Wie handelt ihr spezifisch, um diesem Ziel gerecht zu werden? Was davon fällt euch besonders schwer? Was besonders leicht?

Hm, das ist eine schwierige Frage. Wir möchten qualitativ hochwertige Rollenspiele veröffentlichen, die ein Maximum an Spielspaß bringen. Dabei interessieren uns außergewöhnliche Settings, die nicht dem 08/15-Fantasyrollenspiel entsprechen. Also die Nische der Nische.

Eine gründliche Lektoratsarbeit und ein ansprechendes und übersichtliches Layout sind dabei der Garant, dass wir unserem eigenen Qualitätsstandard auch entsprechen.

Außerdem haben wir bisher alle unsere Produkte in Deutschland drucken lassen.

Natürlich ist der Konkurrenzdruck unter den Druckereien, besonders im Vergleich mit ausländischen Anbietern, sehr groß, aber bisher konnten wir diesem Grundsatz treu bleiben.

Gibt es bei der Auswahl eurer Systeme einen roten Faden, etwas, das diese Spiele miteinander verbindet?

Nein, eigentlich nicht, außer, dass sie, wie schon erwähnt, eine ungewöhnliche, aber attraktive Spielwelt bieten. Aber sie sind alle vier völlig unterschiedlich.

Seelenfänger wurde per Crowdfunding finanziert. Wie läuft die Planung und Erstellung so eines Crowdfundings? Weshalb habt ihr euch für Startnext entschieden? Welche Erfahrungen konntet ihr dabei sammeln?

Wir haben uns für ein Crowdfunding entschieden, weil wir mit Täuscherland etwas besonderes herausbringen wollten, mit neuen, extra dafür angefertigten, farbigen Illustrationen, die die düstere, mittelalterlich angehauchte, vom Nebel umschlossene Welt des Spiels stimmungsvoll darstellen sollten. Durch den großen Zuspruch und das eingenommene Geld konnten wir das dann auch genauso produzieren; ein farbiges Buch mit über 200 Illustrationen auf fast 300 Seiten und einer beiliegenden DIN-A2-Weltkarte.

Die Plattform Startnext haben wir gewählt, weil dort schon einige andere Rollenspielprojekte erfolgreich finanziert wurden (z. B. André Wieslers Protektor), und uns eine deutsche Crowdfunding-Plattform für das erste Mal sympathischer war.

Die Finanzierung selbst ist dann sehr gut gelaufen. Man muss aber stets präsent sein, auf Anfragen schnell reagieren können und häufig Blogbeiträge posten, was ein nicht unerheblicher Zeitaufwand ist. Neben 40-Stunden-Brotjob, Familie und anderen Verlagspflichten wie Layout oder Vertrieb sowie Ständen auf Conventions mit Vor- und Nachbereitung ist das echt viel Arbeit.

Es gab ja schon einmal eine Version von Seelenfänger. Warum habt ihr euch entschieden, Seelenfänger auf der Grundlage von Fate herauszubringen?

Seelenfänger hat ein eher erzählerisches Konzept ohne viele Regeln und da lag es nahe, Fate als System dafür zu benutzen, das mit seinem Aspekt-Mechanismus genau das unterstreicht. Nachdem wir das Einverständnis vom Uhrwerk-Verlag erhalten hatten, dass wir die deutschen Regeln benutzen dürfen, stand dem auch nichts mehr im Wege.

Zu Seelenfänger gibt es einen Soundtrack von Erdenstern. Wie kam es zur Kooperation?

Wir kennen Erdenstern schon lange über die Conventions, auf denen wir uns regelmäßig treffen, und wussten, dass sie auch Musik für spezielle Rollenspiele machen. Außerdem kommen sie wie der Autor von Seelenfänger, Jörg Köster, aus Hamburg. So kam es auf der NordCon 2017 zu ersten Gesprächen über das gemeinsame Projekt. Jörg hat die Erdensterne dann im Studio in Hamburg besucht und das Ergebnis ist die CD Immortalis, die die düstere, aber auch epische Stimmung von Seelenfänger perfekt einfängt.

Es gibt auch ein Hörspiel zu Seelenfänger, das Details zur Entstehung der aktuellen Situation im Spiel zeigt; Brodriks Stab und die Verbindung zum Fluchfall. Warum finden sich diese Ereignisse nicht in Täuscherland wieder? Warum wurden Marielle und Kormak nicht erwähnt?

Das ist in der Tat eine gute Frage, aber ich muss sie an Jörg Köster weitergeben, da ich leider keine Antwort darauf weiß.

Allerdings vermute ich, dass das Hörspiel später entstanden ist als Täuscherland und man dann das Buch nicht mehr umschreiben wollte. Aber das könnte man durchaus mal als einen Abenteueraufhänger benutzen.

Mit Private Eye habt ihr ein Setting ohne Fantasy-Elemente, ohne Magie, ohne Elfen, Zwerge und Orks. Wie schwer haben es solche Rollenspiel-Settings in Deutschland? Was macht den Reiz von viktorianischen Settings aus?

Also, schwer hat es Private Eye nicht. Im Gegenteil, mit diesem historischen Setting sprechen wir viele Leute an, die mit Fantasy nichts anfangen können oder zum ersten Mal ein Rollenspiel ausprobieren. Es ist also quasi die ideale Einstiegsdroge 😉

Sherlock Holmes ist, gerade auch wegen der erfolgreichen BBC-Serie Sherlock, sehr beliebt, und es gibt sehr viele Sherlockianer in Deutschland. Wir arbeiten auch eng mit der Deutschen Sherlock Holmes-Gesellschaft zusammen, indem wir deren Vereinsmagazin vertreiben und an ihren Veranstaltungen teilnehmen.

Das viktorianische Setting übt eine besondere Anziehungskraft aus, weil es eine Zeit repräsentiert, in der die Menschen völlig unvoreingenommen und positivistisch an neue Entdeckungen herangegangen sind. Alles wurde ausprobiert. Durch die industrielle Revolution herrschte eine starke und ungebrochene Aufbruchstimmung und dieser “Zeitgeist” macht einen Teil des Spielspaßes aus. Inzwischen wissen wir um die ganzen Probleme, die manche Entdeckungen gebracht haben, wie die Umweltverschmutzung oder die furchtbaren Arbeitsbedingungen. Deshalb haben wir heute einen eher kritischen Blick auf Neuerungen. Aber die Sehnsucht nach einer scheinbar “heilen Welt”, in der die Spieler alles Mögliche entdecken, ausprobieren und ausspionieren können, ist vorhanden, darum ist ein Spiel unter historischen Bedingungen ziemlich faszinierend.

Mit Wolsung und Finsterland habt ihr actiongeladene Steampunk-Settings veröffentlicht. Was ist Steampunk und warum sollte man das unbedingt spielen?

Beim Steampunk von Wolsung geht es wie in der viktorianischen Zeit um ein positives Weltbild, in der Dampf als die vorherrschende Energieform zu skurrilen und monströsen Apparaturen führt, was das Punkige ausmacht. Es ist es außerdem möglich, Elfen, Zwerge und Orks zu spielen, vielleicht auch einen durchgeknallten Wissenschaftler, der sich einen Hausgolem hält. Die Regeln sind interessant und außergewöhnlich, da man auch Spielkarten und Tokens verwenden kann, um seine Würfe zu verbessern, um damit dann auch als Anfänger cineastische Szenen spielen zu können.

Der Steampunk von Finsterland ist viel düsterer. Hier ist nach einem Krieg schon die Luft verpestet und so mancher Herrscher beutet sein Volk aus, das kurz davor ist, sich nicht mehr alles gefallen zu lassen und offen zu rebellieren.

Die Steampunk-Szene in Deutschland ist recht stark und viele haben Spaß daran, sich fantasievolle Kostüme zu basteln. Sie tragen dann dampfende Zylinder oder geheimnisvoll leuchtende Kleidungsstücken und treffen sich auf Conventions oder historischen Jahrmärkten.

Auch wenn man für das Rollenspiel nicht kostümiert sein muss, gibt es da natürlich Überschneidungen mit unseren Produkten. Und wer eine solche besondere Welt mag, der sollte unbedingt Wolsung oder Finsterland ausprobieren.

Welche Projekte zeichnen sich bei euch kurz- oder mittelfristig ab? Wie geht es mit den bestehenden Reihen weiter?

Finsterland ist ja erst seit Kurzem bei uns eingezogen. Wir haben aber schon einen Abenteuerband Freiheit für Schwarzenbrück – Teil 1 zur Spielemesse Essen herausgebracht.

Der Zusatz “Teil 1” deutet schon darauf hin, dass es weitere Abenteuerbände geben wird. Die Geschichte ist einzeln spielbar, die Rahmenhandlung ist aber auf insgesamt fünf Abenteuer angelegt.

Auch Seelenfänger ist mit dem großen Setting Täuscherland gerade erst erschienen.

Es folgt in Kürze ein Abenteuerband, der auch noch im Crowdfunding enthalten war.

Das vollständige Regelwerk von Wolsung soll endlich im kommenden Jahr erscheinen und für Private Eye haben wir schon den Abenteuerband 13 in der Schublade, aber auch viele weitere Ideen, die noch zu Papier gebracht werden müssen.

Wir werden also bestimmt nicht arbeitslos und die Fans bekommen regelmäßig neues Spielmaterial.

Informiert euch einfach auf unseren Homepages oder unseren Facebook-Seiten:

http://www.redaktion-phantastik.de

https://www.facebook.com/redaktion.phantastik

https://www.facebook.com.Rollenspiel.Private.Eye

https://www.wolsung.de

https://www.facebook.com/Wolsung.SteamPulpFantasy

http://seelenfaenger-rpg.de

https://www.facebook.com/SeelenfaengerRollenspiel

http://www.finsterland.net

https://www.facebook.com/finsterland

PnPnews bedankt sich herzlich für die Beantwortung unserer Fragen! Weitere Interviews aus der Rollenspiel-Welt folgen. Lasst euch überraschen.

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