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Queere Rollenspiele – Kleine Vorstellung eines Genres

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Rollenspiel scheint queere Leute geradezu anzuziehen. Kein Wunder: Immerhin ist das Hineinversetzen in andere Personen und Lebenslagen fundamentaler Bestandteil des Spiels. Dadurch allein ergibt sich schon die Möglichkeit, diverseste Erfahrungen ganz bequem am Wohnzimmertisch zu erleben. Auf unserem Discord-Server kam vor kurzer Zeit eine Diskussion um Queerness in Rollenspielen auf. Ihr könnt euch darunter gar nichts vorstellen? Na, dann macht euch auf eine aufregende riesige Untergruppe innerhalb des Rollenspiels gefasst! Wir stellen euch hier ein paar interessante queere Rollenspiele vor.

Was ist eigentlich Queerness und was hat das mit Rollenspiel zu tun?

„Queer“ ist eigentlich ein recht schwammiger Begriff und sammelt unter diesem Schirm alle möglichen Identitäten, Gender, Sexualitäten und so weiter, die von der normativen mehrheitlichen Gesellschaft abweichen. Im Prinzip also ein Catch-All-Begriff, um unter anderem Homosexuelle, Transgender, Bisexuelle, Asexuelle und Aromantische, und so weiter zusammenzufassen. Queer ist aber durchaus mehr und kann mit bestimmten Erfahrungen und Gefühlen assoziiert werden. Das Ganze ist ziemlich komplex, eine exakte Definition ist ohnehin nicht zielführend.

Aber was hat das alles jetzt mit Rollenspiel zu tun? Ist das nicht alles Privatsache? Rollenspiel bieten sich perfekt für queere Themen an. Elemente wie kollaboratives Zusammenarbeiten, Empathie und Teilen fremder Erfahrungen tragen maßgeblich dazu bei. Die queere Indie-Szene ist groß, und die Spiele in diesem Artikel gerade einmal die Spitze des Eisbergs. Queere Spiele müssen auch gar nicht sexuell sein. Auch Erfahrungen wie Coming Out, Ausgrenzung oder andere spezifische Erfahrungen werden angesprochen. Und die sind nicht nur für queere Menschen. Queere Spiele können so Brücken bauen, Verständnis fördern, Identitäten stärken und ganz nebenbei auch noch tierisch Spaß machen!

Und was sind queere Rollenspiele?

Man kann doch jedes Rollenspiel queer spielen! Das ist eine häufige Reaktion auf das Thema. Zwar kann man natürlich eigentlich überall queere Charaktere, NSC oder Themen einbauen. Aber das macht ein Spiel noch lange nicht queer. Spielwelten wie Aventurien aus DSA beinhalten queere Personen. Es ist also sozusagen ein queer-freundlichen Setting und repräsentiert Queerness. DSA fördert aber nicht inheränt queere Themen. Diese müsste man schon selbst manuell in eine Runde einfügen und thematisieren. Und genau das macht queere Spiele aus. Zumindest legen wir das hier mal so fest. Denn auch hier herrscht kein Konsens. Im Folgenden reden wir also über Spiele, die mehr oder weniger konzentriert Queerness im Spiel selbst aufgreifen. Sei es in Settings, Regelmachniken oder Leitthemen.

Die bunte Welt der queeren Rollenspiele

Wir wollen euch natürlich nicht länger auf die Folter spannen und die ganzen grandiosen Spiele vorenthalten. Diese kleine Liste ist natürlich nicht vollständig. Aber wenn dein queeres Lieblingsspiel fehlt, dann schreib uns doch in den Kommentaren und teil es mit allen!

Dream Askew, A Place to Fuck Each Other (und alles andere von Avery Alder)

Avery Alder ist in der Szene eine absolute Größe. Eigentlich kann man getrost so gut wie alle ihre Spiele als queer bezeichnen. Dream Askew spielt beispielsweise in der Post-Apokalypse. Dort haben sich allerlei queere Menschen zusammengerottet und eine Enklave gebildet. Das Erzählspiel auf der Basis von Belonging outside Belonging folgt der kleinen Gemeinschaft bei ihrem Alltag. Besonders interessant: In dieser Zukunft gibt es eine Vielfalt an sexuellen Identitäten und Gender, die es zu erforschen und ausprobieren gilt.

A Place to Fuck Each Other spielt dagegen in unserer modernen Zeit. Es handelt von queeren Frauen und ihren Beziehungen. Durchaus ironisch ist das Spiel aus zwei Szenenarten aufgebaut: Miteinander schlafen und gemeinsam zusammenziehen. Das Spiel lebt von dem Auf und Ab der gespielten Beziehungen und ist komplett kostenlos herunterladbar.

Lichcraft

Lichcraft von Laurie O’Connel befasst sich mit Transgender. In einem dystopischen Großbritannien ist die Warteliste für medizinische Behandlungen für Transgender weit über die sterbliche Lebenserwartung hinausgewachsen. Doch du lässt dich nicht von der Regierung unterkriegen! Stattdessen spielst du das Spiel mit. Du musst nur ein untoter Lich werden, um gemütlich die Wartezeit abzusitzen. Dafür sucht man nach Ritualkomponenten, besiegt Gegner und benutzt Magie. Vielleicht hab ihr ja das Bundle for Trans Day of Remembrance gekauft und habt das Spiel bereits?

Big Gay Orcs

Big Gay Orcs von Grant Howitt, dem Autor von Honey Heist, spielt vor einer düsteren Kulisse: Eure Stadt wird von einer feindlichen Armee bedroht, euer Anführer ist bereits tot. Ihr wisst nicht, wie lange ihr noch lebt und müsst euch in dieser letzten Nacht euren Beziehungen, Gefühlen und Erinnerungen stellen. Das Spiel ist kostenlos verfügbar und nur eine Seite lang. Trotzdem bekommt man hier einen melodramatischen und vielleicht sogar romantischen Spielabend mit komplexen orkischen Charakteren.

Thirsty Sword Lesbians

Thirsty Sword Lesbians wurde kürzlich per Crowdfunding finanziert. Das Spiel ist Powered by the Apocalpyse und eignet sich für allerlei queere romantische Geschichten. Die mitgelieferten Szenarien und Settings beinhalten alle queere Elemente, Personen oder Anspielungen. Im Mittelpunkt stehen, wie bei den meisten anderen queeren Rollenspiele auch, Beziehungen zwischen diversen Personen. Daneben stehen auch individuelle Freiheit und Gleichstellung im Vordergrund.

Burlesque House Siege

Burlesque House Siege von Birch + Bat Studios ist kein eigenständiges Regelwerk, sondern eher Szenario für eine Handvoll Systeme wie Pathfinder, Dungeons & Dragons oder Dungeon World. Das Etablissement Maison Derriere ist eine berüchtigte Anlaufstelle für Vergnügen jeder Art. Shows, Drag Performances und weitere Attraktionen locken Besucher an. Plötzlich steht eine Armee aus Banditen vor der Tür, die euch überfallen wollen! Es ist also an der Zeit, zurückzuschlagen und statt dem Tanzbein, die Waffen zu schwingen. Das Setting bietet marginalisierten, vor allem aber queeren Charakteren die Möglichkeit, sich zu gruppieren und gegen Unterdrückung von außen zu kämpfen.

The Watch

In der Welt von The Watch von Anna Kreider und Andrew Medeiros kämpfen die 10 vereinten Clans der Menschen gegen eine einfallende Macht namens den Schatten. Dieser verändert seine Opfer und zieht sie auf seine Seite. Nur Frauen und nicht-binäre Personen können sich anscheinend dem Einfluss entziehen. Die Elitetruppe The Watch besteht deswegen ausschließlich aus diesen. Die Missionen führen die Gruppe durch Gefechte, Streifzüge und Versorgungsaufträge. Dazwischen entwickelt sie Beziehungen weiter und interagiert am Lagerfeuer des Camps. Im Prinzip wird hier mit Genderrollen gespielt und einmal normative Annahmen auf den Kopf gestellt.

Monsterhearts

Monsterhearts ist ein weiteres Spiel von Avery Alder. Anders als ihre anderen queeren Rollenspiele geht es hier richtig zur Sache. Die gespielten Teenager sind hormongesteuert, impulsiv, teilweise grausam und obendrein noch waschechte Monster. Sex ist hier zentrale eine Spielmechanik. Außerdem kann es vorkommen, dass Charaktere überraschend von Personen sexuell angezogen werden. Damit muss der Charakter dann klarkommen, reagieren und sich selbst finden. Genau so wie viele queere Menschen auch, wenn sie ihre Sexualität entdecken. Das Spiel ist dabei direkt, schonungslos und wurde oft für seinen Umgang mit Sex und Sexualität gelobt.

Girl by Moonlight

Es geht mit Glitter, Magie und Liebe weiter: Girl by Moonlight von Andrew Gillis emuliert das Anime-Genre der Magical Girls. Die Regeln basieren auf Blades in the Dark. Die Spieler verkörpern junge Frauen mit mächtigen Kräften. Sie kämpfen gemeinsam gegen die Dunkelheit und gegen die sie unterdrückende Gesellschaft. Erforscht werden Themen wie Ausgrenzung, Freundschaft und Beziehungen und der Kampf für die eigenen Ideale. Dabei stehen einem mehrere Playsets mit Settings zur Verfügung. Das Spiel befindet sich gerade in der Beta-Playtest-Phase. Es wird wohl bald bei Evil Hat Productions erscheinen, vielleicht mit einem Kickstarter.

Dish Pit Witches

Dieses queere Rollenspiel knöpft sich den Kapitalismus vor. In Dish Pit Wtches von Blake Stone spielt ihr queere Hexen. Die versuchen mit all ihrer Kraft, Magie und Verstand über die Runden zu kommen. Dazu arbeiten sie in einem Restaurant. Der Spielleiter verkörpert den Manager, der sie gnadenlos ausbeuten will. Spieler und Leitung stehen klar antagonistisch gegenüber. Die Hexen müssen eine eingeschworene Gemeinschaft bilden um die kleinen und großen Katastrophen und die konstante Ausbeutung zu überstehen.

Hot Guys Making Out und Breaking the Ice

Diese beiden Spiele thematisieren beide eine aufblühende, eventuell queere Beziehung zwischen den zwei Spielenden. Hot Guys Making Out von These Are Our Games spielt in Spanien während des Bürgerkriegs der 1930er. Zwei Männer lernen sich kennen und verlieben sich, müssen aber durch das tückische Minenfeld ihrer Gesellschaft und ihre eigenen Unsicherheiten manövrieren. Breaking the Ice von Emily Care Boss verfolgt die ersten drei Dates selbsterstellter Charaktere. Sie nehmen dabei teilweise Charakterzüge des anderen Spielenden an. Dass sich das Prinzip auch sehr gut für queere Charaktere eignet, beweist zum Beispiel schon das Coverbild.

Lonely Timbers

Lonely Timbers sieht erstmal nicht wie die anderen queeren Rollenspiele aus. Das Spiel von Genesis of Legend Publishing verfolgt historische Holzfäller des 19. Jahrhunderts in Amerika, wie sie ihre harte und gefährliche Arbeit ausführen. Die Spieler begleiten sie ein Jahr lang, während dem sie sich anfreunden, Beziehungen aufbauen, Schwäche zeigen und ihre Maskulinität neu definieren müssen. Lonely Timbers erforscht so männliche Genderrollen und auch Homosexualität.

Was sind eure liebsten queeren Rollenspiele?

Die Liste sollte für Interessierte auf jeden Fall ein paar geeignete Spiele enthalten. Aber es gibt natürlich noch viel mehr queere Rollenspiele! Kennt ihr noch einige? Schreibt uns in den Kommentaren und teilt eure queeren Geheimtipps!

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Magdalena

Ihr habt Blue Rose vergessen. 🤫

Oli

Wir hatten als kleine Entschädigung schon ein paar Artikel zum Blue Rose TTRPG

https://pnpnews.de/schlagwort/blue-rose/

Olav

Vielen lieben Dank. Da hab ich doch tatsächlich noch Spiele gefunden, die ich noch nicht kannte.

Gerrit Reininghaus

Schöne Liste! Toller Artikel!
Mir gefällt ja besonders (auch wenn ich es eigentlich am ehesten nicht in dieser Liste gesehen hätte) bei Breaking the Ice die Mechanik, dass man bei der Figuren Erschlaffung schaut welchen Unterschied die Spieler*innen voneinander haben (Gender, Wohlstand, Bildung, Alter etc) und diesen im Spiel genau umdreht.
Der Autor von Honey Heist usw ist übrigens Grant, nicht Gareth o.ä. mit Vornamen.

Bei Hot Guys Making Out sollte man die genre-typische Imbalance in der Machtposition der Figuren als Inhalt Warnung hervorheben. Das ist nicht für jede*n etwas, eine Liebesbeziehung zwischen Master, Butler und (in der letzten Edition explizit volljährigem) Adoptivsohn.

Ich würde unbedingt noch die explizit queeren Spiele von Kira Magrann aufnehmen, vor allem Cozy Den ( spiele Lesbisnakes), HOTA von Jon Cole (queer Fanfiction), Night Witches von J. Morningstar (Borderline explizit queer, zugegeben), Just a Little Loving (larp zur HIV-Krise NYC in den 80ern). Dann gibt es einige Anthologien zu Queer Games, etwa die Queer Gaymes Anthologie, kuratiert von Jacqueline Bryk.

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