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Neuigkeiten aus der Welt der Pen & Paper Rollenspiele

Amazing Tales als therapeutisches Rollenspiel

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Wenn man den Begriff Rollenspiel nicht in unserem Sinne, sondern spielwissenschaftlich betrachtet, so wird schnell klar, dass eine therapeutische Anwendung hier nichts Neues ist. In diesem Fall geht es jedoch darum, dass ein extra für Kinder entwickeltes Rollenspiel, nämlich Amazing Tales, einen spezifisch therapeutischen Ansatz bekommen hat, der nicht nur in Schulen Anwendung findet.

Amazing Tales

Die besten Geschichte sind immer die, die wir uns selbst einfallen lassen. Deren Inhalt wir bestimmen, leiten und vielleicht auch manipulieren können, sei es als Kind, oder als Erwachsener. Und das ist auch der ganz einfache Leitgedanke von Amazing Tales. 2019 ging das Projekt als Idee bei Kickstarter los und knapp 400 Backer brachten ca 12.000 € zusammen.

Martin Lloyd, Vater, Rollenspieler und Herausgeber von Amazing Tales, entwickelte es in Anlehnung an seine Erfahrung mit Kindern und wie man diese an das Thema Rollenspiel heranführen kann. Und das merkt man dem 96-seitigen Regelwerk auch an. Die gesamten Grundregeln sind auf den ersten Seiten zusammen gefasst. Die Charaktererstellung und ein einfaches Würfelsystem werden früh vorgestellt und bieten gerade genug Struktur, um Kinder an Pen & Paper Rollenspiel heranzuführen, ohne sich in irgendetwas zu verzetteln.

Aber wofür sind also die anderen 90 Seiten da? Sie sind dazu da, den Erwachsenen zu helfen. Es gibt Ratschlägen zu den spezifischen Herausforderungen beim Erfinden von Geschichten, die für Kinder funktionieren. Zu verschiedenen Arten des Umgangs mit Kämpfen in Kinderspielen und zu Möglichkeiten, den Zauber zu bewahren. Anschließend finden sich noch vier Beispielszenarien, damit man direkt loslegen kann.

Wer sich ein besseres Bild darüber verschaffen möchte, kann sich die englischsprachige Rezension auf Geeks and Sundry zu Gemüte führen. Oder ihr stöbert ein wenig auf dem YouTube-Kanal von Amazing Tales.

Der therapeutische Ansatz

In seinem Kickstarter-Blog erfahren wir von Martin Lloyd, dass er oft gefragt wurde, ob Amazing Tales in einem Klassenzimmer als Lehrmittel verwendet werden könnte. Oder auch, ob Amazing Tales bei der Kindertherapie helfen könnte. Viele erfahrene Rollenspieler würden das wohl sofort mit einem klaren Ja beantworten. Aber die meisten von uns sind weder Lehrer noch Therapeuten und wir wollen ja auch niemandem schaden. Daher ist Lloyds Antwort auf diese Fragen mehr als erfreulich.

Denn es gibt bereits zwei offizielle Amazing Tales Beiträge von Personen, die mit Autorität über diese Themen sprechen können. Amazing Lessons ist ein Leitfaden für den Einsatz des Rollenspiels im Klassenzimmer. Er wurde von Barry Stevens, einem Lehrer, geschrieben, der diesen auch in seinen Klassen nutzt.
Und es gibt einen Leitfaden von Lilly Smith mit dem Titel Using Amazing Tales Therapeutically, die ihres Zeichens Kindertherapeutin ist.

Amazing Lessons

Baz Stevens ist Grundschullehrer und ein erfahrener Spielleiter, der bereits 40 Jahre Rollenspielerfahrung hat. Er moderiert den Podcast What Would The Smart Party Do?. Seine Publikation Amazing Lessons gibt es als kostenloses PDF auf DriveThruRPG zu kaufen.

Dabei handelt es sich bei dem 7-seitigen PDF keineswegs um eine Erweiterung zu Amazing Tales, sondern tatsächlich eine Zusammenfassung, wie und in welchen Fächern er das Spiel im Unterricht nutzt. Es geht darum, 30 Kindern beizubringen, dass irgendwie alles miteinander verbunden ist (auch spielerisch). Denn Amazing Tales haben offensichtlich überall im Lehrplan Platz. Englisch, Geschichte, persönliche Sozial- und Gesundheitserziehung (PSHE), Geographie und Religionsunterricht. Es kann sogar das Lernen in den Bereichen Sport, Informatik, Mathematik, Naturwissenschaften und Technologie unterstützen.

In den genannten Fächern geht es darum, zu erklären, zu demonstrieren und zu inspirieren. Mit multimedialen Ansätzen das Leben anderer und das, was wir von ihnen lernen können, zu veranschaulichen. Es könnte eine Figur in einer Geschichte sein, eine Persönlichkeit aus der Geschichte oder eine Gemeinschaft vom anderen Ende der Welt. Es kann alles sehr theoretisch sein und für manche einen sehr großen Schritt weg vom Leben im Klassenzimmer bedeuten. Denn während es manchen leicht fällt, sich in andere Personen hineinzuversetzen, deren Entscheidungen zu treffen, wie sie zu sprechen, schließlich wie sie zu denken und zu lernen, gelingt das alles anderen zunächst weniger gut. Für sie ist es eine Herausforderung und in dem Fall dann auch für den Erwachsenen, aber Stevens ist überzeugt davon, dass es sich lohnt.

Sein Fazit lautet:

Die Verwendung von Amazing Tales im Klassenzimmer ist einfach, effektiv und macht allen Spaß. Wenn es den Kindern nicht helfen würde, zu lernen, wäre es nicht mehr oder weniger als eine Spielerei, und professionelle Pädagogen haben buchstäblich keine Zeit für Spielereien. Dies ist das wichtigste Werkzeug in meiner Unterrichtsmappe, denn wenn ich möchte dass die Kinder unglaubliche Geschichten erfinden, greife ich zu Amazing Tales.

aus Amazign Lessons, frei übersetzt von PnPnews

Using Amazing Tales Therapeutically

Die Kindertherapeutin Lilly Smith geht von einer anderen Seite an das Regelwerk heran. Sie gibt mit Using Amazing Tales Therapeutically eine Anleitung, um Kindern mit zusätzlichen Bedürfnissen zu helfen, ihr volles Potenzial zu erreichen. Der sechsseitige Leitfaden enthält Ratschläge zu Teamarbeit, sozialer Problemlösung, Impulskontrolle, Kreativität und Feinmotorik.

Daher ist ihr Ansatz und Aufbau auch ein wenig anders. Sie geht auf jeden einzelnen der oben genannten Aspekte ein und nimmt Stellung dazu. Was zu erwarten ist, welche Wege eingeschlagen werden können und wie es in praktischen Beispielen aussieht. Bei der Impulskontrolle kann es helfen zu lernen, dass es nicht nur im Spiel, sondern gerade im wahren Leben immer Konsequenzen gibt. Aber im Spiel kann man sich ausprobieren und Grenzen ausloten, was später hilfreich sein kann. Teamwork wird schon allein dadurch unterstützt, dass man gemeinsam eine Aufgabe erledigen muss, dass Absprachen und Rücksicht von Nöten sind, genau wie gegenseitige Unterstützung.

Ihr Fazit zu Amazing Tales lautet:

Denken Sie bei all dem daran, dass es Spaß machen muss. Entwicklung geschieht am besten, wenn in den Augen der Kinder ein Funkeln zu sehen ist und sie motiviert, engagiert und mit Ihnen verbunden sind und Sie gemeinsam an den Dingen arbeiten, die sie als schwierig empfinden, als gleichberechtigte Spielpartner und nicht als überlegener Erwachsener, der ein Kind anleitet. Wenn Sie Zweifel haben oder wenn es sich zu sehr nach harter Arbeit anfühlt, hören Sie auf und spielen Sie aus Freude am Spiel wieder zusammen!

zitiert aus Using Amazing Tales Therapeutically, frei übersetzt von PnPnews

Auch dieses PDF ist kostenlos in englischer Sprache bei DriveThruRPG zu beziehen.

Therapeutische Rollenspiele

Was denkt ihr über dieses Thema? Habt ihr Erfahrung als Spieler oder Spielleitung damit gemacht, wenn es um lehrreiche Erlebnisse rund um das Rollenspiel geht? Kennt ihr therapeutische Spielansätze oder habt sie vielleicht schon mal ausprobiert? Und sei es nur eine Rollenspiel-AG in der Schule oder in einem Jugendhaus. Hinterlasst uns gerne einen Kommentar dazu.

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Balduin

Vielen Dann für diesen interessanten Beitrag!

Meine ganz persönliche Meinung dazu ist, dass Rollenspiele nicht unbedingt geeignet sind, um klassiche Schulfächer zu unterrichten; jedoch können sie ganz beiläufig zu einer positiven Persönlichkeitsentwicklung beitragen, indem sie dazu inspirieren, zu erzählen, mit anderen zusammenzukommen, zu kooperieren, sich Geschichten auszudenken, zu malen oder zu zeichnen und und und..

Damit eignen sie sich womöglich sehr gut für offene Angebote aller Art (Jugendcafes, Ganztagsbetreuung usw.)

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