Rollenspiel mit (meinen) Kindern
Auch wenn es Settings und Systeme für kindergeeignete Pen & Paper Rollenspiele gibt, taste ich mich mit meinen Kindern erst einmal an das Hobby heran.
Meine Söhne sind gerade vier und sechseinhalb Jahre alt, deshalb muss ich ihre unterschiedlichen Fähigkeiten und Aufmerksamkeitsspannen berücksichtigen. Erst seit der Kleine „richtige“ (sprich, etwas komplexere und länger dauernde) Gesellschaftsspiele spielen kann, kam für mich überhaupt in Frage, Rollenspiel mit den Kindern auszuprobieren. Der Große ist jetzt schon ein großer Fantasyfan und liebt es, sich eigene Geschichten auszudenken. Generell malen, konstruieren und rätseln beide sehr gern, weshalb ich mit den Jungs genau dort angesetzt habe und eine eigene Welt mit ihnen entwickle, die sie bespielen können.
Worldbuilding und Charaktererstellung mit den Jungs
Gemeinsames Worldbuilding ist im Rollenspiel durch die erzählorientierten Systeme mittlerweile am Spieltisch angekommen. Es schien mir für die Kinder wunderbar geeignet, sich gedanklich auf ein Setting einzulassen. Als visuellen Einstieg habe ich die grandiosen Karten von Guillaume Tavernier verwendet und mit den Kindern ein Dorf vor seiner Stadt erstellt. Sie legten sofort los und bemalten ein großes Blatt Papier.
Ihre Ideen waren einfach nur großartig! Ein unsichtbares Haus, in dem eine Karte zu einem Wunschkristall versteckt ist, ein Dunkelwald, in dem ein mysteriös zerstörter Baum steht … Der Magierturm durfte auch nicht fehlen. Da gäbe es unzählige Plots! Ich stellte nur gezielte Fragen zu Namen und Motivationen der Bewohner:innen des Dorfes, notierte mir alles und ließ ihnen ansonsten freie Hand.
Parallel fragte ich sie über ihre Charaktere aus, die ich mir mit ihren Eigenschaften ebenfalls notierte.
Der Kleine wollte ein Orkmädchen spielen, das in einem goldenen Baumhaus wohnt, der Große hat mit viel Liebe zum Detail den Bauernhof seines Charakters gemalt. Generell waren ihre Konzepte schon gar nicht schlecht. Überrascht war ich auch davon, wie gut sie sie im Hinterkopf behielten (mittlerweile haben wir schon öfter gespielt). So lässt der Große morgens nach dem Aufstehen seinen Charakter selbstständig die Tiere füttern. Der Kleine bleibt auch weiterhin beim Orkmädchen und ist ein leuchtendes Beispiel für völlig klischeefreies Crossgender-Spiel.
Spielen mit Kindern
Richtig Spielen hat leider (natürlich noch) nicht geklappt. Ich ließ die Charaktere einfach aufeinandertreffen und streute zufällige Ereignisse ein. Der Kleine hat das mit den Erzählrollen nicht wirklich verstanden und mit seiner Sprunghaftigkeit hauptsächlich für Chaos gesorgt.
Gewürfelt wurde mit Fudge-Würfeln zur simplen Entscheidungsfindung (+ = Erfolg, – = Misserfolg, leer = etwas Verrücktes passiert).
Der Große hat das schon ziemlich gut gemacht, war extrem kreativ und mit Begeisterung dabei. So sprang er dem Monster, das der Kleine nach einem Würfelwurf am Baumhaus auftauchen ließ, auf den Rücken, um ihm im Kampf die Augen zuzuhalten.
Die Situationen liefen etwas skurril ab, aber die Kinder waren hochkonzentriert und mit viel Spaß dabei.
Für einen richtigen Plot zeigte sich das vorherige Worldbuilding nachteilig, weil sich die Kinder kaum führen ließen. Sie erzählten sich eher selbst, was passierte (erinnerte mich an eine sehr schlechte Fate-Runde, die ich mal mitgemacht habe).
Mit ein bisschen Übung und klareren Ansagen wird das aber garantiert besser.
Fazit
Bislang habe ich mich nicht an „richtige“ Systeme mit den Kindern gewagt, weil ich erst austesten wollte, in wie fern sie überhaupt schon in der Lage sind, Rollenspiel spielen zu können. Für ihre Charakterkonzepte und das Charakterspiel bekommen sie wirklich eine 1 plus mit Sternchen. Das machen sie richtig toll. Da kommt mir zugute, dass in diesem Alter Rollenspiele im pädagogischen Sinne sowieso extrem angesagt sind.
Ihre Ideen sind auch wirklich grandios, weshalb ich sie nur lenke und weiterhin viel selbst erzählen lasse. Beispielsweise fanden die Kinder einen Zauberumhang im Baumhaus eines bösen Zauberers und ich ließ den Kleinen entscheiden, welche Zauberkraft dieser hatte. Er entschied sich fürs Gedankenlesen, damit er weiß, „wer zu den Guten und wer zu den Bösen gehört“. Das fand ich mit gerade erst vier Jahren schon ziemlich erstaunlich. Das wäre mir entgangen, hätte ich die Zauberkraft für das Item selbst festgelegt.
Trotzdem kann ich mir noch nicht vorstellen, ein richtiges Abenteuer mit ihnen zu spielen, weil sie dafür zu wenig zielgerichtet und lösungsorientiert agieren. Sie fragen aber ständig nach, wann es weitergeht und sind dann sehr kreativ sowie mit viel Liebe zum Detail für Stunden hochkonzentriert in ihrer eigenen Welt unterwegs. Und darauf kommt es im Rollenspiel ja schließlich auch an.
Sehr schöner Artikel. Und noch schöner finde ich deine Muße, die du mit deinen Kindern an den Tag legst.
Als Gedanke zu deiner Aussage mit dem Nachteil für den Plot, du verbindest es ja offensichtlich mit etwas Negativem: Mittlerweile gibt es viele spielleiterlose Rollenspiele, wo es dazu gehört, dass alle die Geschichte mitschreiben. Z. B. habe ich mit Liebe in den Zeiten des Seidr sehr schöne Erfahrungen gemacht. Dabei spielt man im Grunde auch eine Art Plot, der aber kein festgelegtes Ziel hat und daher keinen SL benötigt. Fiasco z. B. funktioniert ähnlich, war mir aber zu starr rundenbasiert. Itras By bezieht die Spieler auch ein, versucht es aber mit einem Plot, wobei ich da noch einen Hauch Dungeon World hinzufügen würde, um die Spieler etwas besser einzubeziehen. Also insbesondere ersteres kann ich dir für eine Runde mit Freunden nur ans Herz legen, um dich mit dem Prinzip „ohne festen Plot“ etwas mehr vertraut zu machen. Meine Erfahrungen mit den vorgenannten Rollenspielen lassen mich anhand deiner Aussagen nämlich zum persönlichen Schluss kommen, dass das sehr fantasievolle Worldbuilding für Plots und den Spielspaß der Spieler der größte Vorteil ist. Tatsächlich erinnert mich das nämlich an sehr gute Runden. So wie du es erzählst, würde ich meinen, dass es vor allem hauptsächlich nicht für feste Plots (wie gerne mal bei DSA z. B.) funktioniert, wenn die Kinder (oder andere Spieler) dann lieber was anderes interessantes am Wegesrand bespielen wollen.
Danke für deinen Kommentar :)!
Tatsächlich spiele ich selbst zwar die klassischen Systeme, bin aber gar kein großer Fan vom Railroading oder vorgefertigten Abenteuern. Ich halte meine Plots auch sehr offen und charakterkonzentriert. Aber ja, du hast Recht, spielleiterlose bzw. sehr erzähllastige Systeme kenne ich nur vom kurzen Ausprobieren, wenn überhaupt.
Deshalb wollte ich meine Erfahrungen mit den Kindern auch gerne verbloggen und bleibe da weiter am Ball, denn sie haben das so toll und kreativ gemacht, dass auch ich noch eine Menge von ihnen lernen kann. Nur ganz ohne Lenkung klappt es bei ihnen nicht, da sie teils sprunghaft in ihren „Fakten“ sind und ich die Geschichte noch nicht pädagogisch angeleitet zusammenkriege. Aber ich versuche auch nicht zu sehr mit meiner Erwachsenenlogik da ran zu gehen, sondern will ihre Kreativität und den Spaß am Erzählen und Würfeln fokussieren.
Daher vielen Dank für die Links und Nennungen, da schaue ich rein :)!