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The Expanse RPG – Die Frage nach dem Kanon

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Steve Kenson von Green Ronin Publishing hält uns ja in wöchentlichen Updates über die Entwicklungen zum The Expanse RPG auf dem Laufenden. Diese Woche geht er der Frage nach dem Kanon nach.

Wenn ein Rollenspiel wie The Expanse RPG auf einem dicht beschriebenen Setting basiert, das sich im Verlauf der Handlung des Quellmaterials verändert, stellt sich immer die Frage: Wie geht man damit um, wenn man eigene Abenteuer damit verbinden möchte? Sollte das vorhandene Setting eigene Abenteuer beeinflussen, und wenn ja, wie stark? Was passiert, wenn das eigene Material den vom Setting vorgegebenen Rahmen verändert?

Möglichkeiten, mit Kanon umzugehen

Steve Kenson beschreibt drei mögliche Techniken, Kanon des Quellmaterials zu verwenden:

Inspiration

Man kann den vorgebenen Kanon als Inspirationsquelle und „Sprungbrett“ für die eigene Runde verwenden und bestehende Charaktere und Ereignisse ins eigene Spiel einbinden. Das bewirkt einen Wiedererkennungseffekt, erleichtert den Zugang zum Hintergrund der Spielwelt und bringt einen gewissen Rahmen für eigene Plots mit.

Genau das ist aber auch der Nachteil: Man ist auf die Elemente des Kanons festgelegt, die man entschieden hat, zu verwenden. Kenson nennt als Beispiel einen Charakter aus der Serie, den ein bestimmtes Schicksal ereilen wird (ich will hier mal nichts spoilern). Wenn man beschließt, diesen Charakter als NSC zu verwenden, ist man an dessen Lebenslauf gebunden und die Spieler kennen ggf. Hintergründe über den Charakter und auch zu seinem Schicksal.

Flexibler Kanon

In diesem Ansatz werden Teile des Kanons im Spiel verwendet, beispielsweise allgemeine Beschreibungen des Settings oder Ereignisse aus der Vergangenheit. Die Ausgangslage wird aus dem Kanon übernommen, darunter auch wichtige Fraktionen oder Schauplätze.

Allerdings werden die spätere Ereignisse abgewandelt, um Raum für die Spielercharaktere zu schaffen. Diese nehmen an den großen Ereignissen teil, treffen auf die Hauptfiguren aus der Serie – oder nehmen vielleicht sogar deren Plätze ein.

Diesen Ansatz soll auch The Expanse RPG verfolgen. Die Ausgangslage wird der Romanserie entlehnt, bietet aber das Potenzial für die Spielercharaktere, Einfluss auf Ereignisse zu nehmen und deren Verlauf möglicherweise gravierend zu verändern. Alles andere wäre ja auch langweilig, oder?

Kanon ignorieren

Es besteht auch immer die Möglichkeit, bestehenden Kanon zu ignorieren und eigene Geschichten und Abenteuer so zu gestalten, dass sie wenige oder keine Berührungspunkte mit kanonischen Charakteren oder Ereignissen haben. Beispielsweise könnte man eigene Abenteuer räumlich und/oder zeitlich an anderen Punkten ansiedeln.

Statischere Kernelemente des Settings würde man vermutlich übernehmen, hätte aber sehr große Freiheiten damit, in welchem Umfang man sie verwendet oder ob man sie durch eigenes Material ersetzt oder ergänzt.

Steves Fazit

Zum Abschluss gibt Steve Kenson uns noch zwei Empfehlungen mit auf den Weg. Einerseits sollte man die Verwendung von Kanon mit der Spielrunde absprechen, damit alle mit denselben Erwartungen an das Spiel herangehen können. Dazu gehört auch, sicherzustellen, dass allen der Umfang des vorhandenen und vor allem verwendeten Kanons bewusst ist.

Andererseits sollte man sich beim Abändern von wichtigen Ereignissen bewusst sein, dass man damit eine Kettenreaktion in Gang setzt. Diese kann im späteren Spielverlauf möglicherweise weitreichende Folgen haben. Insbesondere mit dem offiziell publizierten Spielmaterial könnten dabei Kompatibilitätsprobleme entstehen.

Diese Tipps sind natürlich nicht nur auf das The Expanse RPG beschränkt, sondern treffen auch auf viele andere Rollenspiele zu. Apropos andere Rollenspiele …

Kanon in anderen Rollenspielen

Die Frage nach dem Umgang mit Kanon stellt sich natürlich auch in vielen anderen Pen & Paper Rollenspielen, schließlich basieren sehr viele Spiele auf bekanntem Hintergrundmaterial aus anderen Medien.

Ein klassisches Beispiel findet sich in Rollenspielen, die im Universum von Star Wars angesiedelt sind. Häufig ist dabei die Einordnung der Spielrunde in die kanonische Timeline der Filme von Bedeutung: Spielen wir während der Rebellion, also irgendwann zwischen Eine neue Hoffnung und Die Rückkehr der Jedi-Ritter? Spielen wir während den Klonkriegen? Wagen wir uns vielleicht in die Zeit der neuen Filme, also rund um Das Erwachen der Macht oder Die letzten Jedi? Oder spielen wir „vor langer Zeit“, während dem Bestehen der Alten Republik, wie man sie beispielsweise in der Videospielreihe Knights of the Old Republic kennenlernen kann?

Fantasy Flight Games (bzw. Ulisses Spiele in der deutschen Ausgabe) hat auf diese Frage eine interessante Antwort gefunden: Durch die Publikation von verschiedenen Regelwerken für unterschiedliche Settings oder Schwerpunkte innerhalb des Star-Wars-Hintergrunds werden dabei unterschiedliche Spielvorlieben bedient. Age of Rebellion konzentriert sich auf die Zeit rund um die klassische Trilogie, Force and Destiny legt den Schwerpunkt auf Machtfähigkeiten und Lichtschwertduelle und Edge of the Empire verschiebt den Rollenspiel-Fokus weg von der Handlung der Filme in davon wenig berührte Randbereiche der „weit, weit entfernten Galaxis“.

Tatsächlich wird der Umgang mit Kanon aber in vielen Rollenspielen interessant: Spiele zu den Werken von J.R.R. Tolkien oder George R.R. Martin sind ohne ihren literarischen Hintergrund kaum vorstellbar. Das auf Fate basierende Dresden Files RPG von Evil Hat Productions hat eine Romanserie von aktuell 16 Bänden als Quellmaterial. Rollenspiel-Adaptionen zu Videospielen wie Dragon Age oder The Witcher sind noch relativ jung, beschäftigen sich aber ebenfalls mit ihrem Quellmaterial.

Und auch viele Rollenspiele mit eigenem Hintergrund, die schon über lange Jahre Material angehäuft haben, müssen sich mit ganz ähnlichen Problemen auseinandersetzen. Als Beispiele seien hier mal Das Schwarze Auge, Shadowrun oder Vampire: Die Maskerade sowie das Schlagwort „Metaplot“ in den Raum gestellt. Eine genauere Betrachtung wird allerdings an anderer Stelle stattfinden müssen.

Wie geht ihr mit Kanon um?

Ein Thema, das so viele verschiedene Rollenspiele betrifft, beschäftigt auch entsprechend viele ihrer Spieler – also uns alle!

Wie geht ihr in euren Spielrunden mit Kanon um? Seid ihr im Rollenspiel schon mal kanonischen Charakteren wie Darth Vader, Harry Dresden oder Daenerys Targaryen begegnet? Ändert ihr kanonische Ereignisse in euren Runden für euer Spiel ab oder übernehmt ihr sie aus der Vorlage? Wonach entscheidet ihr, welche Elemente ihr übernehmt und welche ihr weglasst? Empfindet ihr eine dicht ausgearbeitete Spielwelt insgesamt als Bereicherung oder steht sie euch eher im Weg?

Erzählt uns doch in einem Kommentar von euren Erfahrungen mit und ohne Kanon!

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