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Soziale Effekte des Rollenspielens

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Hörte man früher als Außenstehender von Rollenspielen, dachte man an klassische Systeme wie Dungeons & Dragons. Man stellte sich einen schwach beleuchteten Keller vor, in dem sich Menschen mit Würfeln bewerfen, aber da ist noch viel mehr. Rollenspiele sind nicht nur unglaublich unterhaltsam, sie können uns auch Fähigkeiten beibringen, die wir in der realen Welt brauchen.

Der erste Kontakt zum Rollenspiel

Auch Patrick Allan, dem Autor von Surprising Benefits, ging es dabei nicht anders. Als er zum ersten Mal von Rollenspielen hörte, dachte auch er, es wäre nur was für Nerds. Für ihn war es eine lächerliche Vorstellung, mit Freunden an einem Tisch zu sitzen und sich wie jemand anders zu benehmen. So zu tun, als würde man gegen Kobolde und Drachen kämpfen. Es klang einfach „zu geeky“ – selbst für jemanden, der sich mit Videospielen und anderen „nerdigen“ Dingen beschäftigte.

Jahre später war ihm klar, dass er seine Einstellung überdenken musste. Rollenspiele gelten mithin als weitaus interessanter als andere traditionelle Spiele, und das trotz diverser Vorurteile. Hinter den Abenteuern und Kampagnen steht ein unterhaltsames, geselliges Beisammensein, bei dem man nachdenken, Probleme lösen, kreativ sein und oft auch lernen muss, ein Teamplayer zu sein.

Die Vorzüge des Rollenspielens

Klingt bekannt? Ja, weil es das reale Leben widerspiegelt. Es geht dabei nur nicht wirklich um Verliese oder Drachen, sondern darum, kritisch zu denken. Wie ein Team zu arbeiten. Jedes Rollenspiel basiert auf einem Gerüst, einem Grundregelwerk, und diese Regeln existieren auch für unser sogenanntes Real Life.

Geschichten zu erzählen und zu erleben ist eine der mächtigsten Möglichkeiten, unser Gehirn zu aktivieren. Rollenspiele tun dies unglaublich gut. Während wir Rollen spielen, muss unser Gehirn die Sprache, die Ursache und die Wirkung von Ereignissen verarbeiten und sie auch mit unseren eigenen Erfahrungen zusammenbringen. Rollenspiele fördern die Sozialisierung, wie das Lesen eines guten Buches es tut. Jon Michaud von The New Yorker schrieb in einem Beitrag dazu:

… D&D is a storytelling, world-creating experience, a great apprenticeship for a budding author. But, more fundamentally, you cannot play D&D without reading—a lot. Ed Park, in an essay on
D&D, celebrates the magnificent vocabulary of the game: Combined, the player’s manual, the Dungeon Master’s guide, and the monster manual add up to four hundred and sixty-eight pages of small-print, double-column text. I read them with studious devotion and headlong glee. Almost immediately, television all but disappeared from my life.

… D&D ist eine erzählende, weltenerschaffende Erfahrung, eine großartige Lehre für angehendene Autoren. Jedoch kann man D&D nicht spielen ohne vorher zu lesen – viel zu lesen. Ed Park feiert in einem Essay über D&D das großartige Vokabular des Spiel: Zähle das Spieler-Handbuch, das Spielleiter-Handbuch und das Monster-Handbuch zusammen und du erhältst 468 Seiten zweispaltiges Kleingedrucktes. Ich las sie mit fleißiger Hingabe und kopfloser Freude. Fast sofort verschwand das Fernsehen beinahe vollständig aus meinem Leben.

(frei übersetzt von Jezz und Luke)

Level up – Fähigkeiten durch Rollenspiele erwerben

Bevor Michaud anfing zu spielen, verbrachte er seine Tage damit, fernzusehen, während seine Noten sanken. Als jedoch die Fantasie von D&D in sein Leben trat, änderte sich dies alles. Michaud geht sogar so weit, zu sagen, dass Dungeons & Dragons „sein Leben gerettet hat“. Es verbesserte sein Leben, weil er durch das Lesen der Regelwerke etwas gefunden hatte, das ihn inspirierte.

Natürlich will ich damit nicht sagen, dass Rollenspiele Leben retten, aber sie können es verbessern. Während man spielt, entwickelt sich Kreativität auf eine Art und Weise, wie man sie zuvor noch nicht erlebt hat. Egal, ob man Spielleiter ist und die Kontrolle über das hat, was mit den Spielern geschieht, oder ob man einen Charaktere spielt. Rollenspiele zwingen uns förmlich, aus dem was wir kennen, zu schöpfen und etwas zu schaffen, das wir und andere genießen können.

Spielleiter z. B. müssen gute Geschichtenerzähler sein. Selbst wenn sie ein vorgefertigtes Abenteuer verwenden, müssen sie immer noch bereit sein, Dialoge und Persönlichkeiten für die Nichtspieler-Charaktere zu entwickeln. Auch müssen sie in der Lage sein, die Welt, die ihre Spieler erkunden, anschaulich zu beschreiben. Geschichtenerzählen ist eine grundlegend kreative Fähigkeit, die man für so viele andere Bereiche gebrauchen kann, zumal gute Geschichtenerzähler zumeist charismatische Persönlichkeiten sind.

Auf der anderen Seite des Tisches sieht es ähnlich aus. Spieler müssen einen Weg finden, um ihren Charakter interessant zu gestalten, indem sie eine Persönlichkeit erfinden und/oder eine gute Hintergrundgeschichte erstellen. Sie müssen auf die Vorgaben des Spielleiters eingehen und gleichzeitig in Interaktion mit den Mitspielern sein.

Soziale Vorteile für jung und alt

Rollenspiele sind ein absolut soziales Gebilde. Spieler und Spielleiter müssen in der Lage sein, mit anderen Menschen zu sprechen und auszudrücken, wie sie sich in bestimmten Situationen fühlen. Rollenspiele sind mit einem sozialen Netzwerk ausgestattet, das direkt in sich selbst integriert ist. Sicher, Videospiele tun gewissermaßen dasselbe – aber es ist nicht dasselbe. Rollenspiele, die am Tisch gespielt werden, tragen die Interaktion von Person zu Person.

Abgesehen davon trifft man sich mit Freunden. Vor und nach einer Spielsitzung informiert man sich, was in deren Leben vor sich geht. Und sobald man die Regeln für ein bestimmtes Spiel kennt, kann man problemlos neue Freunde finden. Man kann in fremde Spielgruppen springen und andere Menschen kennen lernen. Der Prozess ist einfach, weil ein riesiger Plot von Gemeinsamkeiten offenkundig ist. Und es weitet sich langsam in den Bereich Rollenspiele für Kinder aus.

Denn besonders für Kinder kann das ausgeprägte soziale Netzwerk hilfreich sein. Für manche ist es schwer, neue Freunde zu finden, aber die erzwungene soziale Interaktion von Rollenspielen kann dabei helfen sich zu überwinden. Außerdem können Kinder wie Erwachsene Rollenspiele nutzen, um ihre Scheu zu bekämpfen. Die Spieler erhalten eine Maske in Form ihres Charakters, mit der sie sich weniger verletzlich fühlen. Die Verwendung eines Charaktere kann helfen, sich mit Fremden zu unterhalten und offen interagieren zu lernen. Es ist nichts Falsches daran, schüchtern zu sein, aber für diejenigen, die da herauskommen möchten, können Rollenspiele etwas Hilfe bieten.

Wettbewerb, Teamfähigkeit und Problemlösungen

Rollenspiele sorgen für erfrischende Abwechslung. Viele Spiele streben danach, wettbewerbsfähig zu sein, aber das Leben kann wettbewerbsfähig genug sein. Darüber hinaus ist Teamfähigkeit in der beruflichen Welt von großer Bedeutung. Du übernimmst eine Rolle bei der Arbeit und machst die Dinge, die du gelernt und trainiert hast. So funktioniert es auch in einem Rollenspiel. Der Charakter hat eine bestimmte Fähigkeit und erfüllt so eine Rolle in einem Team. Genau wie bei der Arbeit: Wenn die Aufgabe nicht erledigt wird, kann das gesamte Team darunter leiden.

Hinzu kommt, dass die meisten Rollenspiele nicht mit Sieg oder Niederlage enden, sondern in sich fortgesetzt werden. Die Ereignisse hängen wie bei jedem anderen Spiel von den Aktionen der Spieler ab. Rollenspiele sind oft von Grund auf so konzipiert, dass sie kooperativ sind, und es kann sehr viel Spaß machen, ein Spiel zu spielen, bei dem es weder echte Gewinner noch Verlierer gibt. Und jeder lernt etwas dabei. Es gibt keine guten oder schlechten Rollen, nur Rollen, die ausgefüllt sein möchten. Wenn man lernz, mit einem Team zu spielen, kann man dabei auch lernen, mit einem Team zu arbeiten.

Problemlösung ist das, was die Welt bewegt, und Rollenspiele und ihre Abenteuer oder Kampagnen sind bis zum Rand damit gefüllt. Schritt für Schritt werden Rollenspieler von Problemen verfolgt, die nur sie bewältigen können. Egal ob es gilt, ein Rätsel zu lösen, während man durch ein Labyrinth navigiert, eine Bande Goblins zu besiegen, während man versucht, ein Mordgeheimnis zu lösen, oder verhindern zu müssen, dass ein dunkler Lord das Königreich übernimmt. Auf jeden Fall gehen die Spieler das Problem an.

Wenn man lernt, Probleme zu lösen, entwickelt sich das kritisches Denken, was in Zukunft dabei helfen kann, Probleme im echten Leben richtig anzugehen. In Rollenspielen ist man gleichzeitig der Schachspieler und die Schachfigur. Es geht darum, zu lernen, Probleme aus verschiedenen Perspektiven zu sehen und zu erkennen, dass am Ende der dunklen, mit Kobolden gefüllten Höhle immer ein Licht ist.

Der Spaß-Faktor im Rollenspiel

Die sich verändernde soziale Einstellung, die Vorteile, die für das Spielen von Rollenspielen sprechen, gelten natürlich nicht nur für High Fantasy. Heute gibt es neben den klassischen Genres wie High Fantasy, Moderne, Sci-Fi etc. viele weitere kleine Nischen, in die sich das Rollenspiel ausbreitet. Und die Frage nach der sozialen Komponente des Rollenspiels bringt auch Diversität und Repräsentation als Thema mit sich.

Doch nach all den genannten durchweg wichtigen Effekten des Rollenspielens darf jedoch eine Sache absolut nicht vergessen werden. Rollenspiele sollen Spaß machen und das allen, die dabei sein. Und der halbe Spaß besteht allein darin, die schwere Welt loszulassen und wieder wie ein Kind zu spielen. Du setzt dich an diesen Tisch und plötzlich rennst du um den Spielplatz herum, hast Abenteuer und rettest die Welt. Hat das nicht immer Spaß gemacht?

Ganz abgesehen davon kommt es am Ende nicht alleine darauf an, ob Rollenspiele das Leben bereichern, die sozialen Fähigkeiten verbessern und Schwächen abbauen. Die Frage ist: Hat DICH das Rollenspiel verändert und wenn ja, wie?
Und an diejenige die bislang noch immer keinen Kontakt zum Rollenspiel hatten: Geht raus und sucht euch eine Gruppe. Wir mögen verrückt wirken, aber wir sind harmlos und beißen nicht – meistens.

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Muscara

Genau – wir sind total harmlos, wir wollen doch nur spielen!

Dieses „so tun als ob“, „was wäre wenn“ bringt mich übrigens dazu Abenteuer die mir gefallen haben mehrfach zu spielen. Es ist interessant wie unterschiedlich das ausfallen kann – und was es doch für Gemeinsamkeiten gibt 🙂

Luke Finewalker

Ich habe ein paar Lieblingsabenteuer, die ich mehrfach leite – manchmal auch erst, nachdem ich sie selbst gespielt habe. Es ist wirklich immer wieder verblüffend, welche Unterschiede sich da ergeben, wie andere Spieler reagieren, wie andere Charaktere eine andere Geschichte erzeugen, aber auch, wie ich selbst ein Abenteuer nochmal erlebe, das ich eigentlich schon kenne, das dann aber doch ganz anders läuft.

Dirk Stratmann

Und wir bleiben jung dabei. Wie Bernhard Shaw schon schrieb : Wir hören nicht auf zu spielen weil wir alt werden, wir werden alt, weil wir aufhören zu spielen.

Raul Ehrwald

Das kann ich nur bestätigen. Schöner Spruch! 🙂

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