FeenConline 2020 – ein virtueller Convention-Bericht
Internationale Gäste
In den Live-Streams waren zwischenzeitlich auch internationale Gäste aus den USA zugeschaltet, die sich trotz des dortigen Indepence Day am 4. Juli Zeit für Interviews genommen hatten.
Interview mit Mark Rein-Hagen zu Lostlorn
Mháire Stritter interviewte auf Orkenspalter TV Mark Rein-Hagen, seines Zeichens Autor von Vampire und Schöpfer der World of Darkness. Es ging um Marks gegenwärtig in der Entwicklung befindliches neues Spiel Lostlorn, an dem auch Mháire selbst mitwirkt.
Lostlorn ist der Name des Dark-Fantasy-Settings, zu dem auch ein modifiziertes Storyteller-System erscheinen soll. Thematisch geht es um eine finstere Welt um, über, unter und auf einem gewaltigen Weltenbaum, „Grandmother Oak“. Dieser soll so groß sein, dass auf seinen Ästen und zwischen seinen Wurzeln ganze Königreiche Platz finden, und wer an seinem Stamm emporklettert, kann wortwörtlich zu einer Gottheit aufsteigen.
Vampire verteidigen die Tore zur Hölle
Im Untergrund der Welt befindet sich hingegen die Hölle. Aus sogenannten Hellholes dringen mächtige Übel in die Welt vor. So schlimm, dass die zivilisierten Reiche Festungen um diese Löcher errichtet haben, um das Böse unten zu halten. Diese sogenannten Fireholds spielen eine zentrale Rolle in dem Setting von Lostlorn. Sie werden von Vampiren befehligt, die wiederum Truppen aus anderen eigenartigen, aber mächtigen Personen um sich scharen, die von der übrigen Welt ausgestoßen wurden.
Gleichzeitig sollen die Fireholds für einen dungeonorientierten Spielstil nutzbar sein: Gegen ein Entgelt dürfen lebensmüde Abenteurer hinabsteigen und dort nach Schätzen suchen. Ob sie wieder herausgelassen werden bleibt dabei eine andere Frage.
Andererseits soll auch ein von der WoD bekanntes Intrigenspiel möglich werden, wenn man lieber die Verwicklungen zwischen den Fireholds untereinander und mit den Reichen der Sterblichen thematisieren möchte. Dem Setting wurde daher auch der Spitzname „Game Of Thrones, but with a bite“ verliehen.
Vampire und andere Monster
Derzeit wohl noch als Arbeitstitel betrachtet ist „FangKnight“, der Name des Spielsystems zu Lostlorn. Eine der ersten Fraktionen der Spielwelt sollen Vampire werden, die sich in Ritterorden organisieren. Weitere übernatürliche Wesenheiten sind natürlich auch in Planung. Darunter Werwölfe (die sich in diesem Setting hinter einer Maskerade verbergen), Feen, Untote, Drachenartige, Engel und schließlich gar göttliche Wesen. Analog zur World of Darkness sind derzeit eigene Varianten des Spiels für diese Kreaturen vorgesehen.
Im Setting sollen auch Metaphern für Kolonialismus oder Rassismus angelegt sein, um diese Themen im Rollenspiel ergründen zu können. Allerdings wolle das Team realweltliche Bezüge vermeiden, damit derartige Spielinhalte optional bleiben können und sich niemand, so Rein-Hagen, in seiner Freizeitbeschäftigung mit denselben Problemen konfrontiert sehen müsse, wie im echten Leben.
Interview mit Steve Kenson
Ein weiterer internationaler Gast auf der FeenConline war Steve Kenson, der unter anderem das Superhelden-Rollenspiel Mutants & Masterminds veröffentlicht hat. Außerdem ist er bei Green Ronin Publishing Lead Designer für The Expanse RPG und hat mit ICONS Superpowered Roleplaying noch ein weiteres Superhelden-Spiel für Adamant Games entwickelt.
ICONS erschien trotz eines gescheiterten Crowdfundings in diesem Jahr bei Beyond Affinity als PDF auf Deutsch. Norbert Franz, der das Spiel für Beyond Affinity übersetzte, führte auch das Interview mit Steve Kenson.
Leider verbrachte der Interviewer eine frustrierend lange Zeit des Gesprächs damit, Anekdoten von seinen eigenen Spielrunden zu erzählen, anstatt auf seinen Gast einzugehen. Interessante Fragen konnte er Kenson dadurch leider nur wenige stellen. Dieser bewahrte jedoch unendliche Ruhe, blickte geduldig lächelnd in die Kamera und berichtete fokussiert von seinen Projekten.
Superhelden stürzen sich in die Action
Kenson verglich beispielsweise das Superhelden-Genre mit Fantasy. Während klassische Fantasy-Geschichten die Entwicklung der Hauptfigur zum Thema haben, die am Ende einen mächtigen Schurken besiegt – Kenson deutete das Konzept der Heldenreise an – sind Superhelden-Geschichten vergleichsweise flach. Die Helden stürzen sich einfach ins Geschehen und versuchen mit ihren Kräften, das Leben der Zivilbevölkerung zu verbessern.
Auf die Frage, ob er mit seinem neuen Rollenspiel ICONS nicht seinem eigenen früheren Produkt Mutants & Masterminds Konkurrenz mache, beschrieb Kenson spezifische Gedanken beim Design der Spiele. M&M sei ein sehr „präzises“ Spiel, bei dem man bei der Charaktererschaffung mit einem Punktesystem sorgfältig, aber zeitaufwändig seine persönlichen Helden zusammenstellen könne.
ICONS hingegen sei mehr von Fudge und Fate inspiriert und verwende deskriptive Begriffe als Grundgerüst für seine Charaktere, was die Charaktererschaffung schneller und kreativer mache. Auch sei ein Teil der Fähigkeiten der Charaktere zufallsbasiert, was für spannende Überraschungseffekte sorge. So könnten selbst innerhalb desselben Genres unterschiedliche Spiele auf unterschiedlichen Gebieten glänzen.
Steve Kenson über Blue Rose
Obwohl der Interviewer sich zunächst sehr auf ICONS eingeschossen hatte, kam das Gespräch später auch noch auf Blue Rose. Das Spiel, das Kenson mit Jeremy Crawford zusammen entwickelt hatte, hätte ursprünglich ein D&D-Setting werden sollen, wurde dann jedoch an Green Ronins true20-System angepasst. Die 2. Edition verwendet mittlerweile das AGE-System, das Kenson auch für The Expanse RPG modifizierte.
Im Gegensatz zu einem typischen Fantasy-Spiel beschreibt Kenson Blue Rose als ein Spiel um Coming-of-Age-Stories, Beziehungen und Charaktere, die herausfinden, wer sie eigentlich sind. Diese Merkmale lassen sich auch auf Aldea übertragen, die Nation im Mittelpunkt des Settings. Diese hat ein dunkles Zeitalter hinter sich gelassen und eine Art Renaissance erreicht. Charaktere in dieser Spielwelt versuchen, ihre Heimat zu verteidigen und diplomatische Beziehungen zu den Nachbarn zu knüpfen.
Der besondere Reiz sprechender Katzen oder Hunde
Eine Besonderheit am Setting von Blue Rose ist die Möglichkeit, erwachte Tiere zu spielen, die sogenannten Rhydan. Diese genießen in Aldea dieselben Rechte wie andere Bürger und sind anderen Spielercharakteren gleichgestellt. In anderen Nationen ist dies jedoch nicht der Fall und sich dort für die Rechte von Rhydan einzusetzen bietet spannende rollenspielerische Möglichkeiten. Rhydan scheinen in der Spielerschaft von Blue Rose sehr beliebt zu sein. Kenson beschreibt die Möglichkeit, sprechende Katzen oder Hunde spielen zu können, schmunzelnd als „unique selling point“ des Spiels.
Leider blieb die Gelegenheit ungenutzt, Steve Kenson auf The Expanse RPG anzusprechen, für das er ebenfalls hauptverantwortlich war. Das bei Green Ronin noch relativ neu erschienene Rollenspiel erfreut sich international großer Beliebtheit und wurde beispielsweise von der PnPnews-Community auf Platz 1 der Spiele gewählt, die dringend eine deutsche Übersetzung brauchen. Spannenden Gesprächsstoff hätte es da sicherlich gegeben.
Am Ende drehte Kenson die Situation sogar von sich aus um und stellte Franz seinerseits Fragen zu dessen Arbeit an der Übersetzung von ICONS – für deren Beantwortung war nur leider nicht mehr viel Zeit übrig. Das Interview mit Steve Kenson war aufschlussreich und interessant, allerdings merkte man dem Interviewer seine Unerfahrenheit deutlich an. Mit einer anderen Strategie hätte das Gespräch noch weitaus besser laufen können.
Anmerkungen:
Postapokalyptisches Köln hatten wir bei MJN schon mit dem ZC Unter dem Zacken, es ging um weitere deutsche Städte
Der Datenimport von Genesis nach Roll20 geht jetzt schon, ist also nicht neu.
Danke für die Hinweise, ist korrigiert. 🙂
Bezüglich des DSA-Talks: Ich habe den Stream nicht gesehen, somit kann ich mir da jetzt keine eigene Meinung zum Inhalt erlauben.
Aber grundsätzlich kann man von Leuten, die alle seit 10+ Jahren nichts mehr zu einer Rollenspielwelt beigetragen haben nicht viel mehr erwarten als alte Anekdötchen zu erzählen. Und wenn sich dann alte Kämpen zu einer solchen virtuellen Runde versammeln, dann wird es vermutlich recht schnell zu einer „Ego-Show“ und einer „Opa erzählt aus dem Krieg“ Nummer.
Da hilft es auch nicht, der Runde ein Thema abseits von „DSA in den Anfängen“ zu verpassen, denn was sollen die Leute denn über DSA und ihre Fans in der heutigen Zeit berichten, wenn sie seit über einem Jahrzehnt mit der Community nichts mehr am Hut haben?
Somit: Entweder bei einer solchen Rundenzusammenstellung das passende Thema wählen oder sich zu einem Thema die passenden Leute suchen.
Hier vor allem die Talk-Gäste zu kritisieren wird meines Erachtens der Ausgangs-Situation nicht gerecht.
Ich habe mir am Wochenende ein paar Panels angesehen und war begeistert davon, wie gut das alles funktioniert hat. Für so eine komplexe Veranstaltung gab es in meiner Wahrnehmung nur sehr wenige technische Probleme, von denen die meisten vernachlässigbar waren. Daumen hoch!
Also ich fand die „Egoshow“ dieser Nostalgierunde richtig sympathisch, freue mich Anekdoten ueber die Menschen hinter diesen Momenten zu erfahren, die jenen die damals dabei waren zu einer Generationenerfahrung wurden. Man muss es sich ja nicht ansehen.