Rezension: FHTAGN – Der Club der Witwen (Re-Animated)
Das FHTAGN-Szenario Der Club der Witwen erschien in seiner erstmaligen im vergriffenen Magazin Cthulhus Ruf Nr. 7. Das FHTAGN-Team der Deutschen Lovecraft Gesellschaft e.V. hat das Abenteuer der Autorin Nadia Quaranta im Rahmen der Re-Animated-Reihe überarbeitet. Diese greift nicht mehr verfügbare Szenarien aus der cthuloiden Community auf und modernisiert diese. Der Club der Witwen spielt in den 1920er Jahren in Italien, vier Witwen nehmen die Hauptrolle ein. Ihre gemeinsame Beziehung zu einem bestimmten Mann spielt eine entscheidene Rolle. Das Szenario ist seit dem 2. Oktober als PDF für 3,95 € auf DriveThruRPG verfügbar.
Die Handlung von Der Club der Witwen wird auf der Produktseite kurz und knapp in nur 4 Sätzen vorgestellt.
In diesem One-Shot, der in den 1920er Jahren in Italien spielt, müssen sich vier Frauen verborgenen Machenschaften stellen. Alle vier sind jung, schön und verwitwet. Im Szenario stehen die Geheimnisse der vier Witwen und ihre Beziehung zu einem ganz bestimmten Mann im Vordergrund. Charakterspiel, Emotionen und Drama am Spieltisch sind bei diesem abendfüllenden One-Shot mit vorgefertigten Charakteren garantiert.
Produktseite zu Der Club der Witwen
Der Form halber möchte ich darauf hinweisen, dass diese Rezension Spoiler beinhaltet – bei diesem Abenteuer lässt sich das in einer Rezension leider nicht vermeiden. Das Fazit kommt jedoch ohne Spoiler aus.
Worum geht es in Der Club der Witwen?
Das Abenteuer selbst ist als One-Shot in 5 Szenen für 4 Spieler*innen angelegt. Es ist auf die vorgefertigten Charaktere ausgerichtet, vier Frauen mit einer Verknüpfung zur zentralen Figur des Abenteuers. Anhand der Bedingungen, die zusätzlich an die vier Protagonistinnen geknüpft sind, bietet es darüber hinaus wenig Spielraum für mehr als einen One-Shot. Denkbar wäre, dass das Abenteuer jedoch als Beginn einer Kampagne mit diesen vier Charakteren dienen kann.
Denn in Der Club der Witwen sind die vier unfreiwillig in die Hände eines Kults geraten. Sie sollen unfreiwillig Überträger ihrer Kraft werden, um den Antagonisten unsterblich werden zu lassen. Dies ist alles Plan eines etwas komplizierteren Rituals. Der Antagonist Leonardo selbst ist der Zwillingsbruder des gemeinsamen, sehr nahestehenden Freundes Matteo. Szene 1 des Szenarios beginnt mit der Einladung des Hausverwalters zur Beerdigung Matteos, während die Witwen sich gerade zum Kaffee in ihren florentinischen Stammlokal treffen und auf Matteo warten. Der Hausverwalter bietet den Witwen an, sie am nächsten Morgen zu Matteos Anwesen zu fahren.
Etwas geht hier vor sich
Natürlich liegt das Anwesenheit nach cthuloider Manier außerhalb von Florenz und auch sonst abgelegener. Die folgenden Szenen bilden den Spannungsbogen. So stellt Szene 2 den Leichenschmaus dar, in dem die Spieler*innen mit ersten Merkwürdigkeiten konfrontiert werden. Ein möglicher Selbstmord steht im Raum, und dann taucht auch noch Leonardo auf. Dieser wirkt fast wie ein kompletter Klon von Matteo als einfach nur ein Zwillingsbruder. Eine Bestätigung dafür, dass es wirklich nicht mit rechten bzw. übernatürlichen Dingen zugehen könnte, wird jedoch auf Szene 3 verschoben. Die Nacht weilt nur kurz, als die im Anwesen arbeitende Hausdame eine Konfrontation mit einem ebenfalls im Haus herumschleichenden cthuluoiden Wesen nicht gut verkraftet.
Bis dahin ist alles sehr linear ausgerichtet. Die Spieler*innen haben außer Abhauen und das Abenteuer ignorieren eigentlich nur die Wahl, bei den Szenen mitzugehen und dort in gewissen Spielraum erste Nachforschungen oder Untersuchungen anzustellen. Bis zu diesem Höhepunkt zum Ende von Szene 3 halten sich die Schreckmomente noch in Grenzen. Lediglich das ungute Gefühl bleibt, ob Leonardo nicht doch zu sehr wie Matteo ist. Außerdem besticht die klassische Szenerie der Toskana der 1920er Jahre.
Kann das Blatt sich noch wenden?
Eine blutige Inschrift an der Decke lässt keine Zweifel daran, es gilt zu handeln! Szene 4 beginnt. Weder der Hausverwalter noch Leonardo sind auffindbar und die Protagonistinnen müssen herausfinden, was passiert ist. Nun kann das ganze Anwesen erkundet werden, doch es wird ein Rennen gegen die Zeit. Ein beklemmendes Gefühl greift um sich, dass hier etwas vor sich geht. Mehrere Hinweise lassen sich finden und immer wieder gibt es Konfrontationen mit dem im Hause spukenden Wesen und dem Gefühl, dass etwas Beunruhigendes geschieht.
Am entscheidendsten ist jedoch ein Buch im Arbeitszimmer, anhand dessen rekonstruiert werden kann, was genau hier geschehen mag: Leonardo hat zusammen mit Matteo ein Ritual gefunden, mit dem sich Leonardo unsterblich machen kann. Sehr gut hat mir hier der Hinweis auf Klone gefallen – das Abenteuer selbst deutet es jedoch selbst für die Spielleitung nur an.
Ein Ende mit Fragezeichen
Ob Matteo nur ein Klon war oder nicht, wird nicht offenbart. Doch im Keller findet das Finale und auch die 5. Szene statt. Die Witwen werden dazu gezwungen, Matteos Leiche zu zerstückeln, um das Ritual aufzuhalten – was zu großer Dramatik führen sollte. Aus meiner Sicht aber auch kein Thema, das man auf die leichte Schulter nehmen sollte. Scheitert die Gruppe, dann wird Leonardo unsterblich.
Was ich hier etwas schade fand: Es fehlt irgendwo eine fatalere Konsequenz für die Protagonistinnen aus dem Finale. Sobald Leonardo nämlich unsterblich ist, bietet er ihnen sogar einen Platz an seiner Seite an und hegt keinen Groll gegen diese. Möglicherweise ziehen also alle einfach ihrer Wege. Aus meiner Sicht hätte hier im Falle des Scheiterns ein fataleres Ende mehr Gewichtung erhalten können. Dies ist jedoch meine persönliche Meinung, die ich nicht groß in die Wertung einfließen lasse. Ich würde das Ende wahrscheinlich im Fall des Scheiterns noch etwas abändern. Beispielsweise dadurch, dass das Aussaugen der Kraft bleibende Auswirkungen hinterlassen hat oder Ähnliches.
Gedanken zur Story und den Charakteren
Aus meiner Sicht ist die Story in Der Club der Witwen wirklich sehr professionell aufbereitet. Merkbar waren hier Leute am Werk, die wissen was sie tun. Der One-Shot hat eine schlüssige, geradlinige Struktur mit verschiedenen Optionen hinsichtlich des Pacings. Er ist für einen Abend ausgelegt, jedoch lassen sich meiner Einschätzung nach gut 4 bis 6 Stunden mit dem Szenario füllen, je nachdem wie man die ersten beiden Szenen gestaltet.
Etwas überrascht hat mich jedoch, dass es keine expliziten Safety Notes im Abenteuer gab. In einem Abschnitt zu den Charakteren darauf hingewiesen, dass abgeklärt sein sollte, „ob sich alle auf die pikanten und intimen Details des Szenarios einlassen wollen“. Einen stärkeren Hinweis darauf, was diese pikanten Details genau sind, und wie man diese sinnvoll abklärt, hätte ich gut gefunden. Stattdessen wird darauf empfohlen, das Abenteuer nur mit einer vertrauten Gruppe zu spielen – was aus meiner Sicht nicht verkehrt ist, jedoch selbst bei vertrauteren Gruppen kann es immer wieder zu unliebsamen Überraschungen kommen. Außerdem scheint der Fokus aus dem Absatz zu den Charakteren auf eben diese gelegt zu werden, dass jedoch z. B. Leichenzerstückelung ebenfalls ein wahrscheinlich aufkommen des Thema ist, erfährt man erst im Finale.
Nicht zu unterschätzende Beziehungen
Dass die Charakterbeziehungen schwierig sind, erwähnt das Abenteuer und das stimmt jedenfalls. Die vier Frauen lassen sich voll und ganz von Matteo um den Finger wickeln, in einer eher naiven Weise – das Klischee des typischen italienischen Gentlemans, der die Frauen sozusagen um den Finger wickelt. Ein Charakter ist unsterblich in ihn verliebt, ein anderer ist von ihm schwanger. Ob diese beiden Frauen sich jede Woche zum Kaffeeklatsch Matteo umgarnend ohne Zwist und Neid treffen würden?
Spannungen sind also definitiv da, und es wird persönlich. Je nach Charakterspiel der Spieler*innen könnte ich mir vorstellen, dass der Rahmen des Szenarios anfangs vollständig gesprengt werden könnte, und das Abenteuer dann doch noch länger dauern kann und sehr stark emotional wird.
Ebenfalls auffällig ist, dass Matteo sehr positiv dargestellt wird. Selbst in den Spielleitungsnotizen ist er der Gentleman mit besten Manieren. Dass er ebenfalls jedoch Kultist ist und sich die vier Frauen ursprünglich nur für das Ritual angebahnt hat, wird jedoch nur als Randnotiz erwähnt. Dem gegenüber ist Leonardo der böse, narzisstische Psychopath. Was genau bei den Zwillingsbrüdern sich im Hintergrund abspielte, wird jedoch nur sehr vage durch ein Handout erklärt – möglicherweise kann die Spielleitung da mit etwas Vorbereitung noch etwas nachschärfen.
Fazit zu Der Club der Witwen
Mit der Club der Witwen hat man ein solides, professionelles One-Shot-Abenteuer. Das Setting selbst ist aus meiner Sicht ausgesprochen einstiegsfreundlich, nicht jedoch die Charakterbeziehungen und die Konstellationen unter den Protagonistinnen. Unter den italienischen Gentlemans der 1920er Jahre und dem Drumherum hat wahrscheinlich jede*r ein ganz eigenes Bild, mit dem das Setting ausgeschmückt werden kann.
Durch das Setting, das man normalerweise mit sehr viel Schönem verbindet, sollte man sich jedoch nicht täuschen lassen. Je nach Ausgestaltung der Spielleitung oder dem Verhalten der Spieler*innen kann es sehr heftig und auch sehr persönlich werden.
Professionelle Umsetzung und Layout
Die Umsetzung überzeugt durch ihre solide abgelieferte Professionalität. Ich sehe jedoch, dass das Abenteuer kurzweilig und sehr geradlinig werden kann. Dies spricht aus meiner Sicht wieder für Einstiegsfreundlichkeit, falls man sich zum Beispiel als Spielleitung probieren möchte. Erfahrenere Gruppen haben natürlich immer Möglichkeiten, Nebenschauplätze auszubauen, die Umsetzung zwingt jedoch niemanden dazu.
Auch das Layout ist sehr professionell und wirkt sehr hochwertig. Einen Kritikpunkt habe ich hier jedoch. Die in Handschrift gestalteten Handouts empfinde ich sehr schlecht lesbar. Außerdem empfand ich es bei der Umsetzung nicht so schön, dass die Handouts teilweise Erklärungen beinhalteten, die ich mir gerne als Hinweise für die Spielleitung noch einmal explizit gewünscht hätte.
Insgesamt denke ich, für einen spannenden Abend mit einer vertrauten Spielrunde kann man mit Der Club der Witwen nicht viel falsch machen. In dem Abenteuer ist jedoch weniger Denksport gefragt, eher lebt das Ganze von Charakterspiel und der Motivation, der Story zu folgen, da es wenig bis keine Nebenschauplätze gibt. Dies hat gewisse Ähnlichkeiten mit dem FHTAGN-Abenteuer Mens Sana.
Für 3,95 € ist meiner Meinung nach der Preis für Der Club der Witwen überschaubar. Leider kenne ich die ursprüngliche Fassung von Der Club der Witwen nicht, um einen Vergleich zu machen. Ich gehe jedoch instinktiv davon aus, dass viel aufbereitende Arbeit in das Abenteuer geflossen ist.
Transparenzhinweis: Das PDF von FHTAGN: Der Club der Witwen (1. Auflage) wurde der PnPnews-Redaktion zu Rezensionszwecken zur Verfügung gestellt.
Huhu, Autorin hier, danke für deine Rezension.
Ja, was die Safety Notes angeht, hast du Recht. Ich kläre das immer mir der Gruppe vorher ab, und kann nur raten, das gleiche zu machen!