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Hat die Wirklichkeit Shadowrun eingeholt? – Teil 1

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Shadowrun, das vermutlich beliebteste Pen & Paper Rollenspiel im Cyberpunk-Genre, geht derzeit in seine sechste Edition.

Dies ist der Auftakt einer kleinen Abhandlung zu dem Thema, ob die reale Welt mittlerweile die Welt von Shadowrun überholt hat. Da das Thema aber zu groß für einen Artikel ist, werde ich es aufteilen und mich hier nur auf den ersten Teil konzentrieren.

Ich teile die Shadowrun-Welt in 3 Bereiche auf, die ich in dieser Artikelreihe behandeln möchte. Diese wären:

  • die Technik, von der Ausrüstung bis hin zur Matrix
  • die Gesellschaft, vom Alltagsrassismus bis hin zur Arkologie
  • die Wirtschaft, die „Big 10“ und ihr Einfluss auf die Welt

Technik in Shadowrun und bei uns

Beginnen wir hier mit einem Thema, was wohl fast jeden Shadowrunner betrifft:

Waffen

In der 6. Welt von Shadowrun gehören Waffen zur Alltagsausrüstung, vor allem in den Sprawls, den Ghettos der Megaplexe in Shadowrun. Diejenigen, die sich zu verteidigen wissen, werden auch den nächsten Sonnenaufgang erleben.

Die Waffenentwicklung geht hier von normalen Pistolen bis hin zur Laserwaffe. Wobei es verschieden Abstufungen bei jeder Kategorie gibt. Wichtig ist hier zu erwähnen, dass die meisten Waffen vernetzt und „intelligent“ sind. Alles was man sich erdenken kann, kann man in oder an eine Waffe bauen.

Auch in der realen Welt schreitet die Waffenentwicklung mit großen Schritten voran. An der Vernetzung und Intelligenz wird gearbeitet. Offiziell ist es noch nicht möglich, Waffen mit WLAN auszurüsten, aber wer weiß schon, was in den geheimen Laboren der Entwickler geschieht?

Die Waffensysteme werden trotzdem immer intelligenter. Als Beispiel ist hier die Auto-Fire-Funktion zu nennen. Diese derzeit vorwiegend in Kampfflugzeugen verbaute Technik errechnet die Flugbahn des Gegners und löst automatisch die Schüsse aus. Dafür sind eine automatische Zielerfassung und -verfolgung, sowie eine elektronische Auslösung des Schusses notwendig. Durch eine intelligente Bildverarbeitung kann die Software einzelne Körperregionen erkennen und man kann die Waffe so programmieren, dass sie automatische Kopfschüsse abgibt.

Programmierbare Munition

Auch Waffen mit programmierbarer Munition gibt es bereits, zum Beispiel mit kleinen luftzündenden Granaten. Auf diese Weise können auch Ziele in Deckung und in Gebäuden bekämpft werden. Durch den Explosionsradius der Granate wird außerdem die Trefferquote erhöht, punktgenaues Zielen ist somit überflüssig. Hier gibt es bereits funktionierende Systeme im Kaliber 20–25 mm.

Die Hersteller sind immer darum bemüht, neues Kapital zu generieren. Deshalb sind mittlerweile viele modulare Waffen im Gebrauch, das bedeutet, Waffen, die für jeden Einsatzzweck ohne großen Aufwand anpassbar sind. Das beste Beispiel ist hier das HK 433 Sturmgewehr von Heckler & Koch. Verschiedene Lauflängen und Kalibergrößen sind werkzeuglos anpassbar und der 40-mm-Unterlaufgranatwerfer HK 269 ist ebenfalls anbaubar.

Panzerung

Die Panzerung und Ausrüstung wird ebenfalls immer intelligenter und vernetzter. Beste Beispiele sind hier der FELIN der französischen Streitkräfte, der Soldat der Zukunft der deutschen Bundeswehr und der Future Force Warrior der US-Streitkräfte. Bereits in den 1980er-Jahren begann die Entwicklung von „intelligenten“ Unterstützungssystemen für die Infanterie. Der Soldat sollte mit einem Integralhelm ausgestattet werden, der ein Nachtsichtgerät, Camcorder, ein Display und einen Laserentfernungsmesser enthält. Der Kampfanzug sollte aus atmungsaktiven Stoffen bestehen, aber Schutz vor Witterung und NBC-Waffen (nukleare, biologische, chemische) bieten.

Netzwerkzentrierte Kriegsführung

In den 1990er-Jahren lag der Fokus dann auf der sogenannten netzwerkzentrierten Kriegsführung. Das bedeutet, dass durch die Vernetzung von Aufklärungs-, Führungs- und Wirksystemen eine Informationsüberlegenheit hergestellt werden soll.  Mittlerweile sind die Entwicklungen aus den 80er-Jahren auf ein neues Level gehoben. Aus Camcorder und Display sind ein Head-Mounted-Display (vor das Auge klappbare Displays) und gehärtete Tablet-Bildschirme mit Berührungsbildschirm geworden. Die Tarnung wird mittels OLEDs und TFTs dem Gelände angepasst. Gegen die Entdeckung durch nahes Infrarot (NIR) sind in den Kampfanzug spezielle Fasern und Partikel eingearbeitet, die Reflexionen unterdrücken.

Lassen wir nun die Waffen und Panzerung hinter uns und widmen uns dem nächsten großen Thema:

Cyberware und Bioware

In der Welt von Shadowrun kann jedes Körperteil ausgetauscht und modifiziert werden. Eine Reglementierung gibt es nur durch den eigenen Geldbeutel und die sogenannte Essenz des Charakters, diese gibt an wie menschlich der Charakter noch ist. Der Einbau von Bio- und Cyberware kostet Geld und Essenz.
In der realen Welt sind die Fortschritte auf diesem Gebiet nicht so weit, aber sie gehen mit großen Schritten in Richtung Zukunft.

Die Entwicklung reicht von einfachen Prothesen zur Wiederherstellung der Mobilität bis hin zu mikroprozessorgesteuerte Prothesen, die komplexere Bewegungen bewerkstelligen können, und zu von Nervenimpulsen gesteuerten Prothesen, die mittels Brain-Computer-Interface mit dem Gehirn verbunden sind.

Sensorische Neuroprothesen

Sensorische Neuroprothesen, also Neuroprothesen, die physikalische Reize in neuronal verwertbare Signale übersetzen, um verloren gegangene Sinnesfunktionen wiederherzustellen oder zu ersetzen, gibt es derzeit nur für akustische und optische Sinne. Das bekannteste ist hier das Cochleaimplantat, das die mechanische Schallübertragung über das Innenohr und die Umsetzung in einen elektrischen Impuls durch die Haarzellen im Ohr ersetzt. Die Qualität reicht jedoch längst nicht an das natürliche Hörempfinden heran.

Im Gegensatz zu den Erfolgen in der Akustik können ähnliche Entwicklungen in der Optik nicht verzeichnet werden. Jedoch hat die Entwicklung einer Retina-basierten Prothese in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht.

Der nächste große Schritt wird die Entwicklung von Gefühlen für die Prothese, also die haptische Rückkopplung der Prothese mit dem Gehirn. Forscher haben dazu einigen armamputierten Menschen erfolgreich Elektroden in den Stumpf implantiert, mit dem Ergebnis, dass die Patienten damit sogar Klötze nach Material und Größe unterscheiden konnten.

Zusammenfassend kann man hier sagen, dass die Entwicklung von Prothesen immer besser und ausgereifter wird, jedoch das Niveau der Sechsten Welt noch lange nicht erreicht hat. Naturgetreue Sinneseindrücke zu erschaffen sind ein ehrgeiziges Ziel.

Die Matrix

In der Welt von Shadowrun ist die Matrix ein weltweites Computernetzwerk, das von mehreren Hierarchieebenen von miteinander verbundenen Subnetzwerken, sogenannten Gittern, gebildet wird. Über die Matrix hat man Zugriff auf fast alle Computersysteme der Welt. Theoretisch hat ein User innerhalb von Sekunden auf eine Datenbank Zugriff, auch wenn dieser auf der anderen Seite des Planeten ist. Wesentliches Merkmal ist auch, dass zur Virtuellen Realität, in die ein Matrix-User oder Hacker vollständig eintaucht, die Augmented Reality, die Erweiterte Realität, hinzugekommen ist. Bei dieser wird die Wahrnehmung der stofflichen Welt um grafische (aber auch akustische und taktile) Matrix-Elemente erweitert und teilweise von diesen überlagert.

Das World Wide Web der heutigen Zeit ist zwar auch weltumspannend, doch muss man nicht aktiv eintauchen. Auch wenn man sagt, dass durch die Nutzung des Internets die Zeit wie im Fluge vergeht. Heutzutage hat man theoretischen Zugriff auf fast alle Computersysteme der Welt und durch das mobile Netz kann man auch von fast jedem Standort auf das World Wide Web zugreifen.

Weltweit wird der IP-Datenverkehr für 2017 auf 1,4 Zettabyte (1 ZB = 1.0007 Bytes) angenommen, allein in Deutschland werden 38 Exabyte (1 EB = 1.0006 Bytes) angenommen, gegenüber einem Aufkommen im Jahre 2012 von 17 Exabyte. Dabei wird eine Steigerung im mobilen Datenverkehr mit Smartphones und Tablets bis 2017 um jährlich 60 % auf dann 13,6 Exabyte erwartet.

Virtuelle Realität

Die Entwicklung der virtuellen Realität ist in den letzten Jahren deutlich vorangeschritten. So gibt es zwar noch kein unmittelbares „Eintauchen“, aber immerhin sind VR-Brillen für den breiten Markt erschwinglich und bereits weit verbreitet.

Ein wichtiges Anwendungsgebiet für die VR ist die Pilotenausbildung in Flugsimulatoren. Auch die Industrie setzt diese Technologie verstärkt ein, vor allem, um virtuelle Prototypen und Produktionsplanungen zu erstellen. Weitere Einsatzgebiete sind Visualisierungen in der Architektur, Medizin und dem Edutainment, dem Konzept der elektronischen Wissensvermittlung.

Auch die Augmented Reality findet immer mehr Anwendungen und kann praktisch in allen Bereichen des Alltags zum Einsatz kommen. Monteure können sich den nächsten Arbeitsschritt direkt in ihr Sichtfeld einblenden lassen, Soldaten und Katastrophenhelfer können sich Ziele und Gefahrenzonen im Gelände anzeigen lassen, Feuerwehrleute können sich wichtige Gebäudeinformationen wie Lagepläne oder eigene Vitalwerte anzeigen lassen.

Technik in Shadowrun und bei uns – ein Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Entwicklungen in der Technik mit großen Schritten vorangetrieben werden. Aber die Technik in der Shadowrun-Welt ist uns noch weit voraus, gerade im Bezug auf Cyber- und Bioware.

In den Fortsetzungen dieser Serie stehen noch die Themengebiete Gesellschaft und Wirtschaft aus.

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Ackerknecht

Naja, was Technik betrifft, hat die reale Welt in manchen Teilen Shadowrun schon mehrfach überholt… Ich erinnere mich an das Erscheinen der 4. Edition, in der die „drahtlose Matrix“ eingeführt wurde. Meine SR2-Kumpel und ich mussten herzhaft lachen, als wir in nostalgischen Erinnerungen schwelgten: Was sind wir in den (realen) 90ern durch (fiktive) 2050er Konzernzentralen gerannt auf der Suche nach einer Netzwerk-Steckdose für unseren Decker…

Mein Favorit war das SR1/2-Handy, ein Knochen mit DynaTac-Ausmaßen, der doppelt so teuer wie eine 9mm-Pistole war und, ganz im Zeitgeist der 90er, ein Luxus-Gegenstand für wohlhabende Charaktere sein sollte.

Beim Thema „Drohnen“ dagegen bescheinige ich den SR-Autoren anstandslos technischen Weitblick. In den 90ern wussten wir absolut nicht, wofür diese Dinger gut sein sollten (außer vielleicht, um eine Maschinenpistole dran zu machen). Erst in den 2010er Jahren haben wir gelernt, was eine gute Kameradrohne alles anrichten kann.

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