Interview mit Michael Masberg zu Die ewig Lächelnde
Am 31. Oktober 2019 ist der siebte Splittermond-Roman bei Feder & Schwert erschienen. Dieses Buch ist eine Kriminalgeschichte im Noir-Stil, die in düsterer Atmosphäre in der Magierstadt Nuum im mertalischen Städtebund spielt.
In dem Roman geht es um die Ermittlungen der Protagonistin Soldana Vitez in einer mysteriösen Mordserie. Wir haben uns mit Autor Michael Masberg unterhalten.
Interview mit Michael Masberg
Hallo Michael. Schön, dass du Zeit für uns gefunden hast. Stell dich doch bitte kurz für unsere Leser vor und erzähle, was du schon so gemacht hast in unserer Szene.
Sehr gerne. Ich bin Michael Masberg und arbeite seit nun schon zehn Jahren freiberuflich als Autor, Regisseur, Kurator und Veranstalter. Dabei arbeite ich ebenso im subkulturellen Underground des Ruhrgebiets wie für internationale Showproduktionen. Rollenspieler bin ich seit bald 25 Jahren. Ich habe wie viele mit Das Schwarze Auge angefangen, für das ich schließlich ein paar Jahre lang schreiben durfte. Dabei sind über drei Dutzend Publikationen von Abenteuern über Regionalspielhilfen bis hin zu Romanen zusammengekommen. Den Aventurischen Boten zähle ich mal nicht mit. Nachdem Ulisses Spiele und ich getrennte Wege gegangen sind, habe ich mir generell eine Rollenspielpause gegönnt. Dazu kam, dass meine alte Runde einfach keine Zeit mehr fand. Seit anderthalb Jahren bin ich wieder aktiver, dank der lebendigen Szene hier im Ruhrgebiet. Ich spiele und leite vor allem Coriolis und Fate, demnächst kommen aber noch ein paar weitere Spiele dazu, auf die ich mich schon sehr freue – so z. B. auf City of Mist.
Vor kurzem ist dein Roman Die ewig Lächelnde erschienen. Kannst du uns verraten, was deine Inspiration für den Roman im Allgemeinen und die Protagonistin im Speziellen war?
Ich habe mich lange nicht mit Splittermond beschäftigt, bis ich im Urlaub vor zwei Jahren Antons [Anton Weste] Roman Nacht über Herathis gelesen habe. Direkt danach habe ich mir Splittermond – Die Welt zugelegt, um mehr über Lorakis zu erfahren. Parallel habe ich Splittermond – Die Regeln quergelesen, vor allem das Kapitel zur Magie. An einem Abend blieb ich zeitgleich an dem Absatz über Nuum und der Beschreibung des Zaubers Totenschlaf hängen. Das war die Initialzündung für alle weiteren Ideen. Soldana Vitez, die Protagonistin des Romans, kam dann recht schnell zu mir. Ich wusste, dass ich eine Fantasy Noir-Geschichte erzählen wollte, aber nicht mit einem Abklatsch von Philip Marlowe in der Hauptrolle. Letztlich gab es nicht die Inspiration für Soldana. Plötzlich war sie einfach da.
Wenn dich jemand fragt, warum er dein Buch lesen sollte, was ist deiner Meinung nach das Highlight?
Nuum. Es war mein Ziel, ein lebendiges Bild dieser Stadt zu zeichnen, nicht nur mit netten Vignetten, sondern dass es eine funktionierende, atmende Stadt ist, in der tatsächlich Menschen und andere leben. Nuum ist neben Soldana die zweite Protagonistin des Buches. Da parallel die Stadtbeschreibung für Der mertalische Städtebund erschienen ist und sich beides wunderbar ergänzt, ist das ganz sicherlich ein Highlight. Mein anderes persönliches Highlight sind die beiden Hauptfiguren – die aus der Zeit gefallene Ermittlerin Soldana Vitez und die ordnungsliebende Gardistin Rungi Ultham – und ihre Dynamik miteinander.
Würdest du im Nachhinein etwas anders machen? Sei es, weil es dir nur Arbeit gemacht hat oder doch nicht so gefällt? Wenn ja, was genau?
Frag mich das gerne noch einmal in ein oder zwei Jahren. So groß ist der Abstand noch gar nicht. Ich bin sehr glücklich, dass das Buch jetzt erschienen ist, und finde es genau so richtig, wie ich es geschrieben habe.
Wird es weitere Splittermond-Romane oder Abenteuer von dir geben?
Das hoffe ich sehr! Ich bin mittlerweile in Lorakis heimisch geworden. Es ist eine tolle, bunte Welt, die ich gerne weiter erkunden würde. Natürlich müssen wir aber erst einmal schauen, welche Folgen die Insolvenz [des Uhrwerk Verlags] und ihr Überwinden für weitere Projekte bedeutet. Bei einem Abenteuer bräuchte ich definitiv Regelhilfe, da ich mit den eigentlichen Regeln nicht warm werde. Doch tatsächlich habe ich bereits eine Idee für einen weiteren Splittermond-Roman, den ich wirklich gerne schreiben würde.
Was stört dich an den Splittermond-Regeln?
Sie sind toll wie sie sind und sie funktionieren. Allerdings bin ich nicht die Zielgruppe. Je älter ich werde, desto mehr schätze ich regelleichte Systeme – Fate, PbtA, Year Zero. Splittermond bewegt sich auf dem anderen Ende des Spektrums. Das ist völlig okay, nur spiele ich dort nicht mehr.
Magst du uns denn was zu deiner Idee für den oben erwähnten, weiteren Splittermond-Roman verraten?
Dafür ist die Idee noch zu frisch. Die Geschichte spielt jedoch in einem ganz anderen Teil von Lorakis, über den noch nicht viel geschrieben wurde. Das ist das Spannende an Lorakis: Es gibt noch so viel zu entdecken!
Mir fiel beim Lesen auf, dass du Soldanas Aussehen nur vage beschrieben hast. Wenn ich mich recht entsinne als „totale Durchschnittsfrau“. Was hat dich dazu bewogen, die optische Beschreibung so knapp zu halten?
Gute Frage! Die Geschichte wird aus Soldanas Perspektive erzählt. Nun gibt es viele Menschen, die permanent ihr Äußeres überprüfen, und dann kann man so etwas gut in die Erzählung einbauen. Eine solche Person ist Soldana nicht. Sie beobachtet andere genau, aber von sich weiß sie, wie sie aussieht. Das ist aber nicht der alleinige Grund: Dass sie bei sich selbst nicht genau hinschaut, erzählt etwas über sie. Deswegen nimmt ihr Äußeres nicht viel Raum ein und spielt nach dem Moment, den du erwähnst, in ihrer Erzählung keine Rolle.
Kannst du dir vorstellen, die Geschichte fortzusetzen?
Aktuell würde ich sagen: Die Geschichte ist zu Ende erzählt. Eine direkte Fortsetzung nur um des Wiedersehen Willens möchte ich nicht schreiben. Aber meine andere Romanidee birgt ein paar Verbindungen in sich, denen ich gerne nachgehen möchte. Das wäre dann allerdings eine Geschichte, die ebenso für sich steht, wie Die ewig Lächelnde in sich abgeschlossen ist.
Wäre eine Geschichte zu Esmoda etwas für dich? Vom Stil her kann ich mir das gut vorstellen.
Esmoda ist eines der ersten Splittermond-Bücher, die ich besessen habe. Ich glaube, ich habe mir den Band direkt nach Splittermond – Die Welt gekauft. Ein wirklich tolles Setting und immer noch einer meiner Lieblingsquellenbände! Es wäre mir allerdings etwas zu nah an Nuum dran. Als nächste Station reizen mich eher andere Regionen.
Welche Regionen würdest du stattdessen gerne für Romane oder Abenteuer verwenden? Und was reizt dich daran?
Farukan und Zhoujiang reizen mich, vor allem aber würde ich gerne Kungaitan und Kintai erkunden. Ich habe immer schon ein Faible sowohl für orientalische Märchen als auch fernöstliche Settings gehabt. Über Kungaitan konnte ich mich zudem mit Thomas Römer austauschen, der meinen Roman lektoriert hat und dessen Baby die Region ist. Das „Mertalia des Ostens“ bietet tolle Ansätze, die man in der klassischen Fantasykost selten antrifft. Da wäre ich gerne dabei, die Region weiter zu erkunden.
Sicher würden sich Fans von Splittermond, unter anderem ich, über eine Mitarbeit an einem Kintai-Regionalband von dir freuen.
Ihr lest das in Köln, oder? [Sitz des Uhrwerk Verlags; Anm. d. Red.]
Arbeitest du aktuell an anderen Rollenspiel-Projekten oder hast welche in Planung? Zum Beispiel für Fate, Coriolis oder Humblewood?
Gerade sind es vor allem private Projekte für meine Spielrunden. Aber wer weiß, was daraus erwächst?
Wie ist der Stand bei deinen Stretch Goals zu Die Verbotenen Lande?
Ich bin bereit es zu schreiben, der Verlag muss sagen, wann. Die letzte (mir bekannte) offizielle Aussage ist, dass der Band mit den deutschen Abenteuerschauplätzen für das nächste Jahr angedacht ist. Darauf hoffe ich jetzt, denn ich bin überzeugt, dass der Abenteuerschauplatz richtig Spaß machen kann.
Apropos Verlag: Was verbindet dich mit dem Uhrwerk Verlag? Was möchtest du dem Verlag mit auf den Weg geben?
Ich kenne Patric, Uli, Thomas und viele andere Mitarbeiter*innen seit Jahren. Mit vielen dieser tollen Menschen durfte ich schon in Aventurien zusammenarbeiten. Dem Verlag wünsche ich alles Gute und viel Kraft für den Neustart! Vor allem aber wünsche ich allen, die nun leider gehen mussten, dass sie zügig eine neue, ebenso erfüllende Beschäftigung finden – und dass wir uns bald wiedersehen.
Das bleibt zu hoffen. Wie sieht es bei dir aus? Laufen bei dir derzeit Projekte abseits des Rollenspiels?
Manchmal zu viele. Im Dezember werde ich mit Gedanken für die Vergessenen ein Buch im Eigenverlag veröffentlichen. Eigentlich war das der Plan B, als die Veröffentlichung von Die ewig Lächelnde durch die Insolvenz plötzlich auf der Kippe stand. Nun wird es beide Bücher geben. Gedanken für die Vergessenen ist eine Kurzgeschichtensammlung mit teils sehr persönlichen Erzählungen. Für 2020 wird außerdem mehr von meinem Alter Ego Sam Greb kommen. Alles andere ist noch nicht spruchreif.
Sam Greb?
Sam Greb ist meine andere schreibende Identität. Oder ich bin seine, so genau wissen wir das nicht. Er schreibt Geschichten aus der Fieberwelt, einen Zyklus in einer surrealen Welt voller bizarrer Wunder. Seit bald sechs Jahren tritt er auf Festivals, in Clubs oder in Kneipen mit Lesungen auf. Dabei spricht er nie ein Wort, weshalb sein Vorleser dabei ist, der seine Geschichten vorliest. Ein halbes Dutzend der Geschichten sind als Hörbücher erschienen, bald wird es erstmalig etwas Gedrucktes geben. Würde Sam Rollenspiele spielen, würde er übrigens Itras By spielen.
Kommen wir noch mal zum eigentlichen Schreiben zurück. Was würdest du jemandem empfehlen, der noch nie einen Roman geschrieben hat, es aber gerne tun würde?
Höre nicht darauf, wie andere schreiben, sondern finde deinen eigenen Weg. Vor allem aber: Habe Geduld mit dir selbst und akzeptiere, dass du manchmal einfach Schrott zu Papier bringst. Scheitern gehört zum Schreiben dazu. Und es wird nicht weniger, je länger deine Geschichte wird.
Wieviel „Schrott“ kam denn bei dir raus?
Tonnen? Es kommt schon vor, dass ich Tage an einem Kapitel sitze, mich mehrmals verrenne und dann alles über den Haufen werfe. Das passiert vor allem dann, wenn man als Autor schlauer sein will als die Figuren.
Unterscheiden sich deine Arbeitsprozesse beim Romanschreiben von denen beim Abenteuerschreiben?
Ich glaube nicht, dass sie sich sehr unterscheiden. Ich bin ein eher halb organisierter Schreiber und lasse Ideen lange reifen, bevor ich sie tatsächlich niederschreibe. Der eigentliche Unterschied ist, dass man beim Roman in der Geschichte bleibt und beim Abenteuer sie immer wieder verlässt, um auf Regelmechanismen zu verweisen. 😉
Welche Themen möchtest du gerne in Abenteuern aufgreifen (unabhängig vom System)?
Ich denke von den Geschichten her, nicht von Themen oder Konzepten. Daher habe ich keine Shortlist mit Themen, die ich gerne aufgreifen möchte. Themen, die mir wichtig sind, schleichen sich eh in die Geschichten.
Welche Themen sind das zum Beispiel?
Es sind vor allem individuelle, persönliche Themen. Wie verhält sich Mensch (Alb, Zwerg, Moschuskopf, etc.) in Situationen, die seine Identität, seine Überzeugung oder das, was ihr oder ihm wertvoll ist, bedrohen? Wie geht ein Charakter mit Verlust oder Schuld um? Letztlich geht es für mich um die Frage, was eine einzelne Person für sich und ihr Umfeld auflösen oder verändern kann. Ich bin überzeugt, dass wirkliche Veränderung dort beginnt.
Testest du Abenteuer von dir zunächst aus? Wenn ja, wie gehst du dabei vor?
Nach Möglichkeit versuche ich stets, einen Spieltest anzusetzen, was in der Vergangenheit leider nicht immer geklappt hat. Spieler kommen auf Ideen, die man sich nicht ausdenken kann! Bei solchen Spieltests gehe ich wie bei jedem anderen Abenteuer vor: Ich lasse mich überraschen.
Hast du schonmal „Easter-Eggs“ in Abenteuern versteckt? Welche? Würdest du es wieder tun?
Oh ja, so einige. Aber wenn ich sie jetzt verraten würde, wären sie ja keine Easter-Eggs mehr, nicht wahr? (Und ja, ich werde damit auch in Zukunft nicht aufhören!)
Wie bist du damals zu DSA gekommen?
Durch die Auslage mit lokalen Vedes-Spielwarenladen – wie wahrscheinlich viele andere meiner Generation. Ich hatte vorher schon Kontakt zum Rollenspiel (das gute alte Marvel Super Heroes-Rollenspiel, das ich fälschlicherweise für ein Comic-Brettspiel gehalten habe). Fantasy wurde damals immer wichtiger für mich, dann gab es diese Box und noch Freunde, die ich überzeugen konnte.
Welche Systeme würdest du sonst noch gerne ausprobieren?
Bald startet endlich City of Mist, das schon ganz lange auf meiner Liste steht. Dahinter wartet Mouse Guard. (Ich bin ein großer Fan der Comics und musste mir einfach die Box kaufen.) Vorher kommt aber wohl noch Tales from the Loop. Ansonsten habe ich nichts Dringendes auf der Liste. Allerdings habe ich mir in den letzten Jahren angewöhnt, alles mal auszuprobieren, wenn sich die Gelegenheit ergibt.
Noch eine Frage zum Abschluss: Was hörst du für Musik?
Von Chansons über mehr oder minder obskure Indie-Bands (ich liebe Neutral Milk Hotel!) bis hin zu gutem Techno ist vieles dabei. Vielleicht zu viel für dieses Interview.
Hast du spontane Worte an die Leserschaft?
Spielt so wie ihr es wollt!
Danke für das Interview, das war sehr ergiebig.
Das freut mich. Ich wünsche dir noch einen feinen Feiertag! Und viel Spaß beim Zusammensetzen des Interviews.
Dre Roman „Die Ewig Lächelnde“ ist bei Feder & Schwert unter der ISBN 978-3-86762-391-9 erschienen, hat 304 Seiten und kostet 12,95 €.