Rezension: Die geheime Welt der Katzen
Vorwort
Es scheint das Jahr der Katze zu sein, wie Jezz schon an anderer Stelle berichtete. Mit Space Cats ist ein weiteres Werk für Fate im Entstehen begriffen. Da ist es wohl angebracht, etwas ältere Erscheinungen genauer mit in den Blick zu nehmen und eine Rezension zu verfassen, in diesem Fall: Die geheime Welt der Katzen.
Nachdem The Secrets of Cats bereits 2014 auf Englisch bei Evil Hat Production erschienen war, kam Die geheime Welt der Katzen 2017 auf Deutsch beim Uhrwerk Verlag heraus. Da ich erst in diesem Jahr darauf gestoßen bin und diese Seite damals in dieser Form nicht existierte, kommt die Rezension eben jetzt.
Die Aufmachung
Auf ca. 200 Seiten im handlichen B5-Format liegt mir ein vollfarbiges Hardcover vor, das im Inneren die typische Gestaltung eines Fate-Buches aufweist. Den einspaltigen Text mit einer feinen Serifen-Schrift leiten in Farbe und Drucktyp klar abgesetzte Überschriften abschnittsweise ein. Hellgrün unterlegte Exkurse lockern den Text neben comichaft gezeichneten Innenillustrationen ebenso auf wie grün gedruckte Beispiele.
Gerade die Illustrationen wirken teilweise sehr dynamisch und erinnern durchaus an Disneys Aristocats oder andere Zeichentrickklassiker. Obwohl insgesamt von guter Qualität wirken, die Zeichnungen auf den ersten Blick niedlicher, als die kleinen, z. T. bösartigen Details oder das teilweise recht düstere Setting es am Ende sind. Einerseits wären hier schmutzig-realistische Zeichnungen angemessener gewesen. Andererseits findet sich diese Diskrepanz zwischen Kuschelkätzchen und diabolischen Horrorgestalten durchaus auch im Setting wieder.
Der Inhalt von Die geheime Welt der Katzen
Das Setting
Die geheime Welt der Katzen ist eine magische Welt, verborgen hinter dem Schleier menschlicher Unkenntnis. In dieser Urban-Fantasy-Welt sind es aber nicht (nur) Vampire oder Werwölfe, die die Welt der Menschen bedrohen. Magische, intelligente Tiere bevölkern diese Welt und verfolgen im Wechselspiel mit Geistern und anderen Schreckgestalten ihre Ziele.
Zwar sind die meisten Tiere weder intelligent noch magisch begabt, aber einige eben schon. Katzen sind sogar allesamt denkende Zauberwesen. Diese haben die Aufgabe, ihre sogenannten „Bürden“ zu beschützen: ihre Menschen. Zwar sind diese auf ihre eigene Weise intelligent und können dank ihrer Daumen Dosen öffnen, doch sind sie sich weitgehend der magischen Natur ihrer Umwelt nicht bewusst. Ohne Katzen wären die Menschen verloren! Der Gefahren gibt es viele: Rachsüchtige Totengeister, Dämonen, die mit Seelen handeln, magische Füchse, die aus Spaß an der Freud das Leben der Menschen ruinieren, intelligente Kaninchen, die im Bund mit Rachegeistern ihre ehemaligen Eigentümer zugrunde richten wollen oder auch Seelen fressende Vampire.
Darüber hinaus verfolgen die Katzen auch noch ihre jeweils eigenen Ziele. Sie wollen ihre Reviere ausdehnen, ihre Rivalen austricksen oder hintergehen, ihren Einfluss im Parlament der Katzen ausdehnen, Gefallen erfüllen oder einfordern u.v.a.m.
Bei alledem dürfen sich die Katzen nicht von ihren Bürden erwischen lassen. Zwar war es damals in Ägypten sehr bequem, als Götter verehrt zu werden. Doch die mittelalterliche Jagd auf „Hexentiere“ soll sich nicht wiederholen. Am Ende sind die Menschen eben doch zu dumm, um mit denkenden Katzen umgehen zu können.
Die Regeln
Die Regeln entsprechen im Wesentlichen Fate Core. Deren Funktionalität zu soll hier nicht diskutiert werden. Ich werde nun im Folgenden auf die Änderungen und Abweichungen eingehen.
Letztlich bleibt Die geheime Welt der Katzen im Rahmen der für Fate üblichen Modifikationen: Es werden Fertigkeiten angepasst.
Allgemeine Fertigkeiten
Ressourcen und Kontakte werden zu Revier zusammengefasst. Dies bemisst sowohl die Größe des Reviers der jeweiligen Katze als auch die Bedeutung der darin enthaltenen Möglichkeiten. Außerdem bildet Revier das Ansehen der Katze im städtischen Umfeld ab.
Magische Fertigkeiten
Auch die Magie der Katzen (und einiger anderer Tiere) wird durch spezielle Fertigkeiten abgebildet. In der Grundversion sind dies:
Behüten, was die Fertigkeit für Schutz und Verteidigung ist, damit aber auch das Überwinden der Schutzzeichen anderer Katzen.
Rufen, was die Fertigkeit für Manipulation und Kontrolle ist, wieder einschließlich des Bannens der Rufzauber anderer Katzen.
Gestaltwandeln, was die teilweise bis vollständige Verwandlung des eigenen Körpers bezeichnet.
Suchen, was das magische Sammeln von Informationen beinhaltet, quasi die Hellsicht- und Orakelfertigkeit.
Weitere Regeln
In vielen Fällen muss die Katze ein (kleines) Tier als Opfer töten, um die Magie zu wirken. Ein Schutzzauber bleibt dann so lange bestehen, wie der Körper z. B. der Maus an Ort und Stelle bleibt. Wenn also eine Katze eine tote Maus vor die Haustür legt, ist das kein Geschenk für die Bewohner, sondern ein Bannkreis gegen Vampire! Liebe Dosenöffner, lasst den Schutzzauber also bitte an Ort und Stelle liegen!
Diese Opfergabe darf aber nur ein nichtintelligentes Tier sein, weswegen die Katze vorher mit der Maus spielt: Vielleicht redet sie ja doch noch.
Für alle, auch die herkömmlichen Fertigkeiten, werden Stunts vorgestellt, die dann auch besser zur Katze passen, z. B. „Schrecken der Nacht“. Dieser Stunt verleiht der Katze +2 auf Provozieren, um bei Nacht Angst zu verursachen.
Auch spätere Publikationen sind in der deutschen Ausgabe enthalten, sodass man direkt Zugang zu weiteren magischen Fertigkeiten erhält: Kniffen, also magischen Stunts für nichtmagische Fertigkeiten, oder vermischter Magie, also Stunts, die zwei Magiefertigkeiten voraussetzen.
Besonders für Spielleiter interessant könnte das Kapitel über Verbotene Magie sein. Das sind Stunts, die das Töten eines intelligenten Opfers voraussetzen, wie einer intelligenten Maus oder einer anderen Katze.
Weiterer Inhalt
Mit Silverford wird auf zwei Seiten eine US-amerikanische Kleinstadt vorgestellt, die als Beispiel für die Gestaltung einer eigenen Stadt dienen oder direkt bespielt werden kann. Das Abenteuer „Schwarzes Silber“ führt SL und Spieler dann tiefer in die magisch-animalischen Strukturen dieser Stadt.
Geisterwesen und ähnliche Gestalten werden an vielen Beispielen demonstriert. Interessant und stimmig finde ich, dass Geister nicht mit Fate Core, sondern mit Turbo-Fate abgebildet werden, was die unwirkliche Natur dieser Wesen gut darstellt.
Auch auf andere Tierarten geht das Spiel ein. Neben Hunden, Kaninchen und Raben, die eher als NSC und Bedrohungen gedacht sind, werden unter anderem auch die geheimen Welten der Dachse, Frettchen, Igel und Ratten vorgestellt. Einige zaubern wie Katzen über separate Fertigkeiten, andere werten reguläre Fertigkeiten zu magischen auf.
Besonders gelungen finde ich hier als Beispiel-NSC das Kaninchen „Widder“. Dieses ist einen Pakt mit einem Rachegeist eingegangen und will sich nun an den Menschen der Stadt für erlittenes Leid rächen. Diese Figur erinnert trotz der niedlichen Hängeohren weniger an eine Disney-Produktion. Eher erinnert der Charakter an die Grausamkeit der Kaninchen aus Watership Down, sowohl was den Hintergrund als auch, was die Ziele angeht.
Natürlich darf auch eine Turbo-Fate-Adaption nicht fehlen, was mich zwar nicht vom Hocker haut, da ich Turbo-Fate nicht so sehr schätze, aber mit ihren zwei Seiten auch nicht weiter stört.
So viel bekommt ihr für euer Geld
34,95 € sind sicherlich keine Kleinigkeit, aber definitiv im Rahmen, zumal man dafür ein vollfarbiges Hardcover mit technisch guten Zeichnungen erhält, das sämtliche weiteren bis dato erschienen Bände enthält. Damit ist für Die geheime Welt der Katzen mit diesen 34,95 € auch tatsächlich Schluss. Zwar erfordert Die geheime Welt der Katzen zusätzlich noch das Fate-Core-Grundregelwerk. Dieses steht jedoch als kostenloser Download zur Verfügung, ebenso wie das Regelwerk für Turbo-Fate, und stellt somit auch keine Kostenfalle dar.
Wie üblich bekommt man im Download-Bereich von FateRPG.de auch ausfüllbare Charakterbögen als PDF.
Fazit
Die geheime Welt der Katzen ist ein insgesamt stimmiges Produkt. Es führt die Spielrunde in eine meist nächtliche Welt der Intrigen und Machtkämpfe, dunkler übernatürlicher Bedrohungen, die der World of Darkness entstammen oder dem Ruf des Cthulhu gefolgt sein könnten. Auf den ersten Blick harmlose Miezekatzen entpuppen sich als mächtige Zauberer, die ihre Bürden, ihre Menschen, vor allerlei Bedrohungen beschützen. Dabei dürfen die Katzen aber den Regeln der Urban Fantasy folgend nicht von den Menschen enttarnt werden.
Die Regeln schließen nahtlos an Fate Core an und sind in den Magieregeln ein schönes Paradebeispiel dafür, wie Magie mit Fate funktionieren kann.
Die geheime Welt der Katzen macht aber nicht bei den Katzen Halt, sondern ermöglicht auch eine Crossover-Runde mit Waschbären und Igeln.
Aber nochmal: So niedlich, wie eine Runde aus Katzen, Waschbären und Igeln zunächst klingt, ist das Ganze am Ende gar nicht. Die Motive der Charaktere, die Natur der Bedrohungen ist eigentlich Horror als Genre.
Deswegen stehe ich dem technisch guten Zeichenstil zwiegespalten gegenüber. Einerseits bietet er eine niedliche Oberfläche, die auf den zweiten Blick Narben, tote Mäuse und cthulhuide Ungeheuer enthält. Das bildet den verborgenen Schrecken gut ab. Andererseits verleitet einen die oberflächliche Niedlichkeit zu einem niedlichen Spiel. Den Horror, den Schrecken, den dieses Setting bietet, hätte man besser mit schmutzig-düsteren Zeichnungen rüberbringen können.
Ein wirklich gelungenes Spiel, das für mich eine echte Alternative zu anderen Spielen der Urban Fantasy darstellt.
Einfach toll, ich hätte schon voll Lust drauf, vielleicht muss ich mir das doch noch aneignen.
ich finde Die geheime Welt der Katzen auch großartig, sehr liebevoll gemacht und auch übersetzt. Ich habe das Szenario daraus bereits 2x gespielt, es macht großen Spaß und inspiriert zu eigenen Abenteuern in dieser Welt der Katzen.
Ich teile allerdings Finarfins Einschätzung nicht, dass man das Spiel zwangsläufig als ernsthaften Horror spielen muss. Meine Spielrunden hatten immer einen gewissen leichtgängigen Humor mit dabei, nicht ganz Disney, aber definitiv näher an Zeichentrick als an dem düsteren Szenario, das diese Rezension zeichnet. Dementsprechend finde ich auch die Illustrationen sehr gelungen. Natürlich ist da manches Mal eine leicht makabere Note dabei, wenn man kleinere Tiere für Ritualmagie opfern muss. Aber letztendlich ist die Stimmung, die man mit diesem Spiel erzeugen kann, längst nicht nur auf düster und bösartig beschränkt.