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Malmsturm – Die Fundamente: düstere nordische Welt

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Vorwort

Gastautor Finarfin rezensiert in einer dreiteiligen Reihe die drei bisher erschienenen Bände der zweiten Edition des Pen & Paper Rollenspiels Malmsturm. Im aktuellen Artikel schreibt er über Malmsturm – Die Fundamente. Die übrigen Bände werden in weiteren Gastartikeln behandelt.

Malmsturm – Die Fundamente ist der neue Regelaufsatz zu Fate Core für das Setting Malmsturm vom Uhrwerk-Verlag. Dieser ersetzt das noch nach Fate 3 konzipierte Malmsturm – Die Regeln und benötigt die Regeln für Fate Core, die als PDF kostenlos erhältlich sind. Ist die Übertragung auf Fate Core gelungen? Kommt das Sword-and-Sorcery-Gefühl angemessen rüber und wird die Welt entsprechend abgebildet?

Die Aufmachung

Malmsturm – Die Fundamente kommt als dickes Hardcover mit ca. 400 Seiten knapp unter DIN A4 daher. Optisch ist das Buch an schwarzes Gestein angelehnt und trägt vage erkennbar eine rot blutende Malmsturmrune unter dem goldenen Schriftzug. Auffällig ist der ansonsten eher unübliche Goldschnitt. Schwarz, Weiß, Rot und Gold sind auch die einzigen Farben, die innen verwendet werden.

Die Texte sind einspaltig mit breitem Rand gedruckt. Die Farben – z.B. bei den Überschriften – werden zur optischen Gliederung genutzt. Zudem sind die Zwischenüberschriften in den breiten Rand gedruckt und regelbezogene Tabellen mit farbiger Schrift auf schwarzem Grund hinterlegt. Zum schnellen Aufinden der Kapitelanfänge sind diese durchgängig durch einen schwarzem Hintergrund hervorgehoben.

Auffällig sind die kursiven Ingame-Texte allerorten, die mit schräg aufsteigender Zeilenführung gedruckt und somit von Hintergrund- und Regeltexten klar unterscheidbar sind.

Die häufigen, aber nicht übermäßig häufigen, Innenzeichnungen sind durchgängig schwarz-weiß mit groben Pinselstrich gezeichnet. So wirken die Illustrationen etwas holzschnittartig, aber ungeheuer lebendig und dynamisch. Muskelbepackte, halbnackte Barbaren, die sich mit scharfem Stahl durch die Reihen ihrer Gegner schneiden, vermitteln den Eindruck, den man aus den Sword-and-Sorcery-Comics der 30er Jahre und den Barbarenfilmen der 80er-Jahre erwartet.

Einziges Manko sind Stellen, an denen rote Schrift auf schwarzen Grund gedruckt ist: Das Licht muss hier für eine gute Lesbarkeit richtig fallen. Gerade beim beim Inhaltsverzeichnis ist das durchaus störend.
Interessanterweise wird am Ende vieler Seiten ein Heavy-Metal-Song angegeben. Diese stellen wohl eine Inspiration des auf der Seite behandelten Themas dar. Mangels Fachkenntnis beurteile ich das nicht, es dürfte aber für Metal-Fans ein schönes Detail sein.

Der Aufbau des Buchs ist sinnvoll und recht klassisch. Auf eine zweiteilige Einleitung zu Malmsturm, und was es sein soll, folgt ein ausführliches Kapitel zur Charaktererschaffung. Hierin sind neben allgemeinen Regeln auch eine Reihe von Charakterbeispielen enthalten, die jeweils nach den drei Hauptregionen „Norden“, „Waismark“ und „Imperium“ gegliedert sind. Diese Gliederung zieht sich später durch alle drei Bände hindurch.

Barbarischer Schlächter. Zu seinen Füßen liegt der abgetrennte Kopf eines Riesen.

Es folgt ein eigenes Kapitel zum namensgebenden Phänomen des Malmsturms. Darin wird beschrieben was er ingame bedeutet und wie dieser regeltechnisch umgesetzt werden kann. Anschließend werden im nächsten Kapitel die nicht in Fate Core enthaltenen Extras behandelt. Darunter sind Dinge wie Getreue, Verbündete oder Magie in Malmsturm. Im sechsten Kapitel werden Fate- und Malmsturm-typische Tipps zur Spielleitung gegeben, die ich persönlich sehr hilfreich finde. Darauf folgt eine Einführung in die Hintergrundwelt, in der überblickartig Völker und Regionen vorgestellt werden – wieder dreigeteilt in Norden, Waismark und Imperium. Dieser schließen sich ein ebenfalls in Regionen unterteiltes Kreaturenkapitel und die Anhänge voller Tabellen an.

Die Grund-, Kampf- und sonstigen Regeln sind im Regelbuch von Fate Core enthalten und werden bei Malmsturm nicht erneut abgedruckt. So stellt es, wie eingangs erwähnt, nur einen Regelaufsatz dar.

Die Settingbeschreibung kommt gefühlt recht spät im Band, was aber mit dem Bestiarium zusammen eine innere Geschlossenheit des Hintergrundes erzeugt. Zudem vermitteln Regelbeispiele und die vielen Ingame-Texte ein sehr dichtes Gefühl für die Welt, so dass im Vorfeld nichts wirklich fehlt.

Der Inhalt von Malmsturm – Die Fundamente

Das Setting

Malmsturm ist Sword-and-Sorcery. Was das bedeutet definiert Malmsturm – Die Fundamente gleich zu Beginn. Im Gegensatz zu von Tolkien oder D&D beeinflussten Fantasy-Welten verzichtet Sword-and-Sorcery weitgehend auf idealtypische Fantasy-Rassen. Statt auf Elfen, Zwerge oder Orks, die oftmals als moralisch überzeichnete Gestalten im Kontrast zu den Menschen stehen, konzentriert sich Malmsturm radikal auf den Menschen. Letzterer ist auch nicht in einen ultimativen Kampf zwischen Gut und Böse verwickelt, sondern handelt nach eigenen Wertmaßstäben. So handelt er als Protagonist der eigenen Geschichte ebenso gut, wie er in einer anderen Geschichte der Böse sein könnte. Selbst die von Dæmonologen beschworenen Dæmonen sind lediglich herbeigerufenene außerirdische Wesen.

Dieses Konzept der Selbstgestaltung, welches „Dramatische Realität“ genannt wird, zieht sich durch das Setting hindurch. Sein und Bewusstsein stehen in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Wenn die Menschen des Dorfes lange genug daran glauben, dass in den Bergen ein bösartiger Drache schläft, wird dieser Drache irgendwann tatsächlich dort liegen. Irgendwann wird er schon immer dort gelegen haben.

So ist die Magie nur das Phänom, wobei ein hinreichend starkes Gefühl oder Wille einer einzelnen Person die Wirklichkeit verändert. Wo aber zu intensiv Gebrauch davon gemacht wird, bricht lokal die Realität zusammen. In diesem Fall entsteht der sogenannte Malmsturm, ein arkaner Wirbel, der chaotisch eine neue Wirklichkeit schafft. Ein sehr schönes Beispiel dafür findet sich im Szenario-Band: Stätten der Verdammnis.

Im ewigen Eis – der Nordkontinent

Fast die gesamte Landfläche dieser Welt wird von einem riesigen Nordkontinent gebildet, von dem mehrere Halbinseln bzw. Subkontinente abgehen und eigene Untersettings bilden.

Barbarenkönig mit langem Schädelzepter.

Der riesige Norden wird nach Süden durch die enorme Gebirgskette Nedderfællen abgegrenzt und ist ein frostiges Gebiet, das von diversen Barbarenvölkern besiedelt wird. Die sieben Völker erinnern sehr an das Setting der alten Conan-Filme. So ringen aggressive Kriegsherren, rücksichtslose Zauberer und gierige Händler um Macht und Einfluss. Die gewöhnlichen Leute hoffen unterdessen nur, nicht erschlagen oder versklavt zu werden. Große Städte gibt es fast nur am Nebelmeer, einem gewaltigen Süßwasser-Binnenmeer. Der Rest des Nordens besteht aus Tundra und Taiga sowie der ewig vereisten Hochebene von Khor. Doch unter dem ewigen Eis eingekerkert schlummert eine finstere Macht, die mich sehr stark an die Großen Alten des Cthulhu-Mythos erinnert. Kein Wunder, stammen Cthulhu und Sword-and-Sorcery doch aus der gleichen Zeit.

Brot und Spiele – das Imperium

Südöstlich schließt sich das Imperium an, welches nur durch den Drachen, eine schmale Landbrücke, mit dem Norden verbunden ist. Vor Jahrtausenden noch beherrschende Macht der Welt, hatte sich dieses Reich vor über 2000 Jahren in sein Kernland zurückgezogen. Mit mächtiger Magie wurden die angrenzenden Gebiete verwüstet, um einer Eroberung durch die Barbaren des Nordens zu entgehen. Hier wird aber nicht einfach das römische Reich kopiert. Das Imperium repräsentiert eine städtisch geprägte Kultur, die von gewaltigen Standesunterschieden, einer Beliebigkeit religiösen Wahns und missbräuchlichen magischen Experimenten geprägt ist.

Während der imperiale Adel sich in Orgien, Dæmonenbeschwörungen und Intrigen ergeht, verfällt das Volk zahllosen religiösen Sekten. Letztere beten oftmals einen sogenannten Lebenden Gott an. Meistens handelt es sich aber nur um ein gegen seinen Willen gefangenes Wesen, dessen übernatürliche Fähigkeiten die Priester ausnutzen. Wortwörtlich darunter vegetiert eine ausgebeutete Unterschicht in Kanalisation und versunkenen Kavernen älterer Bebauung dahin. Viele von ihnen sind sogenannte Irrformen, also Mutanten diverser magischer Experimente.

In Gottes Namen – die Waismark

Weiter westlich liegt als dritte Region die Waismark, eine im Stich gelassene ehemalige imperiale Kolonie. Nach einem Absturz in finsterste Barbarei hat sie sich wieder auf einem Niveau des späten Frühmittelalters stabilisiert. Hier werden klassische Themen eines finsteren Mittelalters behandelt. Einfache Bauern werden von adligen Grundherren unterdrückt, der Adel lebt in ständigem Kriegszustand miteinander und über allem steht die allgegenwärtige Trisantische Kirche. Der Adel darf schalten und walten, solange dem Ruf zum Kampf gegen die heidnischen Wilden in den undurchdringlichen Wäldern nur Folge geleistet wird.

Die oben beschrieben Dramatische Realität führt dazu, dass die Wilden z. T. genauso teuflisch sind, wie die Kirchenfürsten der Bevölkerung weismachen. Hier verbergen die Mönche eines Klosters alte imperiale Schriften über dæmonisch-mechanische Apparate, dort klagt ein Zætor der Kirche eine Frau des Fahrenden Volkes der Hexerei an. Andernorts fordert ein versoffener Ritter von den Bräuten des Dorfes das Recht der ersten Nacht oder entführen Anhänger der Alten Götter die Kinder des Dorfes für ein Blutopfer.

Insgesamt präsentiert sich die Welt von Malmsturm extrem offen mit sehr viel Freiraum, den man selbst gestalten darf und muss. So ist es passend, in den Ingame-Texten das Setting durch Gerüchte, Vermutungen und perspektivische Aussagen aus der Welt zu vermitteln. Jede Spielleitung und jeder Mitspieler kann selbst entscheiden, ob nordöstlich von Mænyff tatsächlich bei Ebbe ein versunkenes Schiff sichtbar wird. Dieses könnte mit goldenen Götzenbildern der Ghorgarden beladen sein und von einer fahlen Kreatur bewacht werden (S. 258). Vielleicht ist es aber doch Seemannsgarn. Wie du schon gemerkt hast, gibt es in diesem Setting eine Vorliebe für die Buchstaben æ und œ.

Was macht Malmsturm anders als Fate Core?

Die Regeln von Malmsturm – Die Fundamente sind grundsätzlich kompatibel mit Fate Core. Über die Sinnhaftigkeit oder Funktionalität der Fate-Regeln an sich kann es bei der Rezension eines konkreten Fate-Settings nicht gehen. Diese Regeln vorausgesetzt, gehe ich nun auf die wesentlichen Abweichungen ein:
Wie bei Fate üblich, wurde die Fertigkeitsliste angepasst. In erster Linie wurden Fertigkeiten nur umbenannt, so dass z. B. aus Wissen Gelehrsamkeit und aus Fahren Lenken wurde. Als neue Fertigkeit wurde Überleben hinzugefügt. Soweit also das, was zu erwarten ist.

Ebenfalls nicht ungewöhnlich ist das Hinzufügen einer neuen Art von Stress, in diesem Fall arkaner Stress. Dies repräsentiert die Fähigkeit eines dramatisch bedeutsamen Charakters, wie eines Spieler- oder wichtigen Nichtspielercharakters, die Realität von Malmsturm aktiv zu gestalten. Wann immer der Einsatz eines Charakteraspekts zu rechtfertigen wäre, kann der Spieler anstelle eines Fate-Punktes auch arkane Stresskästchen abstreichen, ebenbfalls einen Bonus in entsprechender Höhe zu erhalten. Da sich arkaner Stress erst bei einem großen Meilenstein verflüchtigt, sollte man ihn vorher in Konsequenzen umleiten.

Je nach Charakterkonzept können arkane Konsequenzen, die gemeinsam die Plätze mit körperlichen und geistigen Konsequenzen belegen, sehr unterschiedlich ausfallen, z. B. in Form von störenden Geistern bis hin zu einer absonderlichen Mutation des Körpers. Arkaner Stress kann auch unkontrolliert in die Umgebung abgelassen werden, was zu entsprechend unangenehmen Situationsaspekten führt. Manche magischen Traditionen verfügen ggf. auch über rituelle Orte, Gegenstände oder willfährige Begleiter, die den arkanen Stress aufnehmen. In gewisser Weise ist arkaner Stress eine zeitverzögerte Variante von Erfolg mit Haken.

Malmstürme und Malmsturmaspekte

Schlachtengetümmel bei Malmsturm

Weiterhin werden die namensgebenden Malmstürme regeltechnisch untermauert. Immer wenn ein hinreichend starker Wille oder eine entsprechend intensive Emotion die Realität dramatisch aus den Angeln zu heben drohen, können SL und Spieler gemeinsam einen Situationsaspekt zu einem Malmsturmaspekt erklären. Dies kann bspw. durch die Furcht eines ganzen Dorfes oder den Willen eines Charakters mit arkanem Stressbalken geschehen.

Den Malmsturmaspekt kann man nicht nur herkömmlich gegen Fate-Punkte einsetzen oder reizen, sondern auch zuspitzen. So kann ihn der Spieler frei einsetzen, aber zu dem Preis, dass er diesen Aspekt durch eine Umformulierung zuspitzt. Liegt z. B. eine „Aufgebrachte Menschenmenge“ als Malmsturmaspekt vor, kann ein Barde beim Versuch, den Dorfhäuptling einzuschüchtern, diesen Aspekt zuspitzen. Er erhält dann wie bei einem Fate-Punkt einen Bonus von +2, aber statt des Fate-Punktes als Preis wird aus der „Aufgebrachten Menge“ ein „Wütender Mob“. Weiteres Zuspitzen könnte daraus nun „Fackeln und Mistgabeln“ machen und später „Mord und Todschlag auf dem Dorfplatz“.

Malmsturmaspekte brechen damit nicht aus der üblichen Fate-Mechanik aus, da eine Verschlechterung oder Verschärfung einer Situation anstelle eines Fate-Punktes durchaus auch sonst schon vorgesehen ist. So kostet der Einsatz übermächtiger Stunts z. B. auch entweder einen Fate-Punkt oder zieht stattdessen Kollateralschäden nach sich. Auch ein Erfolg mit Haken ist im Grunde nichts anderes als die Verschlechterung der Situation anstelle der Zahlung eines Fate-Punktes.

Weitere Regeln

Interessant ist bei Malmsturm die verwendete Initiative-Regel. Anstatt Fertigkeitswerte zu vergleichen handelt derjenige zuerst, der den Konflikt auch begonnen hat. Proaktive Spieler werden hierbei natürlich etwas begünstigt. Als Notfalllösung bleibt der Vergleich von Fertigkeitswerten jedoch erhalten. Anschließend wird die Initiative weitergereicht: Wer zuletzt dran war, bestimmt, wer als nächster kommt. Beginnen also die Spielercharaktere, handeln in dieser Runde die Nichtspielercharaktere zwar als letztes, aber werden in der nächsten Runde bestimmt als erste dran sein.

Zudem wurde eine neue Art von Schub eingeführt, nämlich Belohnungen. Wie ein Schub gewährt eine Belohnung einmalig einen Bonus von +2 oder einen Reroll und verschwindet dann. Doch anders als ein Schub kann eine Belohnung länger aufbewahrt werden. Auch darf man maximal fünf Belohnungen besitzen. Am Ende jeder Spielsitzung erhält man eine Belohnung in Rücksprache mit der Spielleitung.

Da manche großen Helden durchaus Gefolgsleute haben in den einschlägigen Geschichten, wurde auch dies in Malmsturm – Die Fundamente berücksichtigt. Im Wesentlichen wurde der Bonus eines Stunts von +2 als Getreuer in einen ordentlichen (+2), namenlosen NSC umbenannt. Dieser kann selbstständig mit einer Fertigkeit auf +2 handeln und auch seinem Herrn durch Teamwork einen Bonus von +1 verschaffen.

Dass manche Gegenstände und verbündete Nichtspielercharaktere als Extras z. B. als Aspekt oder gar mit einem vollen Satz von Werten entsprechend der Bronzenen Regel dargestellt werden, ist bei einem Fate-Spiel so selbstverständlich, dass ich hierauf nicht weiter eingehen muss.

Insgesamt bleibt Malmsturm – Die Fundamente mit allen Regeländerungen oder -ergänzungen voll und ganz innerhalb der Fate-Mechaniken. Das möchte ich als Qualitätsmerkmal herausstellen. So haben klare Ausbrüche aus der Fate-Mechanik in anderen Fate-Spielen dazu geführt, dass das Spiel sein gutes Balancing verliert oder unrund läuft. Malmsturm aber ist und bleibt eine spannende konkrete Ausformung des Systems von Fate-Core.

Charaktererschaffung

Weitgehend ist damit auch die Charaktererschaffung Fate Core abgedeckt. Deswegen gehe ich auch hier nur auf die Unterschiede ein.

Der größte Unterschied ist die unterschiedliche Spielgestaltung. Da sich klassische Sword-and-Sorcery-Geschichten an stets wechselnden Schauplätzen abspielen, ist eine konkrete Erschaffung etlicher lokaler oder regionaler Gegebenheiten wie in Fate Core nicht zielführend und würde das Setting brechen. Deswegen stehen die gruppeninternen Beziehungen im Fokus. Die Gruppe der Charaktere erhält einen eigenen Konzept-Aspekt, der die Gruppe, ihre Stärken und ihren Grund, zusammenzubleiben, definiert. Ebenso bekommt die Gruppe als Ganzes einen Dilemma-Aspekt, der die typischen Probleme festlegt, in die die Gruppe immer wieder gerät. Dies ersetzt die Aufgaben aus der Fate-Core-Spielgestaltung und gibt in ähnlicher Weise die Richtung der Kampagne vor.

Weg rauf zu einer Schädelburg.

Ich persönlich bin bei Fate Core kein großer Freund des Phasentrios zur Festlegung der drei weiteren Aspekte, die Macher von Malmsturm – Die Fundamente offenbar auch nicht. Nachdem in herkömmlicher Manier Konzepte und Dilemmas der Charaktere ausformuliert wurden, legt man ein Beziehungsdiagramm an. Darin legt jeder Spieler für seinen Charakter eine Beziehung oder Einstellung zu einem anderen Spielercharakter fest. In gleicherweise führt jeder Spieler einen Nichtspielercharakter ein und erklärt die Beziehung seines Charakters zu diesem. Wie üblich arbeiten daran letztlich alle Spieler gemeinsam. Aus diesem Diagramm leitet nun jeder Spieler zwei Beziehungsaspekte ab und definiert den letzten Aspekt völlig frei. Effektiv liefert dieses Verfahren zum Phasentrio vergleichbare Ergebnisse, geht dabei aber entspannter vor. Die Spieler müssen nicht gleich eine Geschichte formulieren.

Charaktere im Praxistest

Im Praxistest hat sich dieser Eindruck bewahrheitet. In kurzer Zeit hatten wir gemeinsam einige Nichtspielercharaktere entwickelt, zu denen die Spielercharaktere eine Beziehung haben, durch welche sich wiederum Beziehungen untereinander ergaben. Eine grobe Vorgeschichte entstand daraus ebenfalls. Dementsprechend stellte sich der Malmsturm-Ansatz, aus den Beziehungsaspekten die Vorgeschichte zu konstruieren, als eingängiger heraus gegenüber dem in Fate Core vorgesehenen Ansatz des Phasentrios, die Aspekte aus einer Vorgeschichte abzuleiten.

Die Charaktere werden etwas mächtiger als herkömmliche Fate-Charaktere, da die Erholungsrate fünf beträgt und jeder Charakter mit vier Stunts beginnt; eine Stellschraube, an der viele Fate-Spiele drehen. Sinnvoll ist das schon, da manche Charakterkonzepte die sonst üblichen drei Stunts zwingend schnell aufbrauchen.

Insgesamt wird die Charaktererschaffung sinnvoll an die Bedingungen des Settings angepasst und das meiner Meinung nach unhandliche Phasentrio gut ersetzt.

Sonstiger Inhalt

Im Spielleitungskapitel erwarten den Leser natürlich Tipps und Tricks für Spielleiter. Diese sind dabei ganz auf den Spielstil „Sandbox“ zugeschnitten und z. T. konzeptionell – wenn auch im Konkreten auf Malmsturm zugeschnitten – Ron Edwards‘ Rollenspiel Sorcerer entnommen. Natürlich ist bei einem Sandbox-Spiel die Improvisation enorm wichtig. Dabei bereitet die Spielleitung quasi einen Sandkasten aus groben Szenerien samt Karte vor und lässt die Spieler auswählen, welchem der präsentierten Probleme sie sich widmen. Teilweise haben die Spieler die Möglichkeit, selbst etwas hinzuzufügen.

Erfreulicherweise lässt Malmsturm – Die Fundamente die Spielleitung hier nicht einfach mit einem lapidaren Hinweis auf Improvisation hängen. Das Buch gibt dem Spielleiter einige praxisorientierte Kniffe an die Hand. Besonders spannend fand ich die sogenannten Bangs! Dies sind kurze Szenenansätze, die zwei Kriterien erfüllen müssen. Einerseits müssen sie die Spieler zur Handlung zwingen, d. h. dass jede Entscheidung, auch die nichts zu tun, Konsequenzen für die Spielercharaktere haben muss. Andererseits darf es nicht die eine für den Plot richtige Entscheidung geben. Werden beide Kriterien erfüllt, bringt jede Entscheidung die Handlung voran und bleibt dramatisch. Dies wird, so wie die übrigen Tipps auch, durch mehrere Beispiele veranschaulicht.

Der Pfad des Todes.

Im Praxistest hat sich gezeigt, dass die Bangs gut funktionieren, aber dass der SL gut aufpassen muss, dass der Bang auch tatsächlich ein Bang ist. Hat tatsächlich alles eine Konsequenz? Geht mit beiden Entscheidungen der Plot weiter? Das erfordert Übung, aber zwei Bangs haben einen ganzen Abend gefüllt.

Dieses Kapitel lebt und atmet geradezu den Geist von Fate, obwohl es kaum Regelmechanismen enthält. Es zielt genau darauf ab, was ohnehin das Ziel von Fate ist: Deutliches Player Empowerment, das die Handlung konstant und im Interesse aller Mitspieler unter Berücksichtigung von deren Ideen voran bringt.

Dass diese Tipps nicht nur einfach abgeschrieben wurden, sondern eigenständig durchdacht und mit Malmsturm erprobt wurden, ist spürbar und spricht für Qualität. Diese Tipps stehen nicht im Buch, weil der Verfasser seine Idee für ach so genial hält, sondern weil sie erprobt sind und für tauglich gehalten wurden.

So viel bekommt ihr für euer Geld

Mit 49,95 € liegen Malmsturm – Die Fundamente sicherlich nicht am unteren Ende der Preisskala. Viele andere Basis-Werke sind bereits für 30 bis 40 € erhältlich.

Der Käufer bekommt auch einiges für sein Geld. Optisch ist das Werk definitiv ansprechend. Das Hardcover von rustikaler Schlichtheit mit Goldschnitt spricht den Sammler genauso an, wie die Ingame-Texte und der durch dynamische Schwarzweißzeichnungen gut leserlicher Text.
Das Regelwerk von Fate Core ist im Buch nicht abgedruckt und fällt somit nicht auf den Preis. Es fehlt jedoch nicht, da es als kostenloses PDF online beziehbar ist.

Auf der Malmsturm-Internetseite ist im Download-Bereich einiges an Zusatzmaterial verfügbar. Hierzu zählen u. a. ein PDF der Weltkarte, falls die im Buch zu klein erscheint, und das gesamte Buch als kostenloses PDF. Die Katze im Sack muss demnach keiner kaufen.

Die Regeln sind eine vollständige Erweiterung für Fate Core. Die Hintergrundbeschreibung ist detailliert und anschaulich genug, um bereits damit eine Kampagne beginnen zu können. Zudem legen die Autoren ohnehin großen Wert auf ein Sandbox-Spiel, dem eine zu detaillierte Beschreibung im Weg stände.

Fazit

Malmsturm – Die Fundamente bieten einen gelungenen Einstieg in das Sword-and-Sorcery-Genre mit Fate Core. Sword-and-Sorcery wird dabei als Genre definiert und sowohl in der Setting-Beschreibung als auch in den Ingame-Texten gut transportiert. Das wird zusätzlich durch passendes und lebendiges Artwork unterstützt.

Die Hintergrundwelt bietet drei hinreichend detailliert ausgearbeitete Regionen, die jeweils eine andere Art von Sword-and-Sorcery darstellen. Diese sind aus einem Guss und werden durch ein übergeordnetes Weltkonzept, die Dramatische Realität, zusammengehalten. Barbaren im eisigen Norden werden ebenso geboten wie ein dunkles Mittelalter, das alle literarischen Erwartungen bedient. Die brutale Dekadenz eines uralten Imperiums vervollständigt das Angebot.

Auch besteht eine große Passung der Regeln zum Setting. Es macht den Eindruck, dass die Dramatische Realität aus gesammelten Fate-Erfahrungen heraus erdacht wurde.

Das ganze Setting wirkt wie ein ideales Beispielsetting für Fate Core. So erhalten die Dramatik, Freiheit und Selbstbestimmtheit der Charaktere, auf die Fate Core abzielt, in der Welt von Malmsturm eine gute Bühne.
Regeltechnisch setzt die zweite Edition für Fate Core eine ganze Reihe interessanter Akzente, die aber samt und sonders einhundertprozentige Fate-Core-Elemente sind. Letztere werden auf z. T. neue Weise arrangiert, so dass Fate Core durch diese vielen Elemente an keiner Stelle ins Stocken gerät. Im Buch bleibt ein Gerüst aus Fertigkeiten, Stunts, Aspekten und Stressbalken. Stunts, Aspekteinsatz gegen Fate-Punkte, Verschlechterungen von Situationen oder abgestrichene Stress-Kästchen bleiben austauscherbar und werden nur in neuer Kombination angewendet.

Das Magiesystem bietet interessante Ideen und wird mit einer größeren Menge an kleinen und großen Magietraditionen für alle drei Teilsettings präsentiert. Besonders gelungen fand ich das Spielleitungskapitel, das wirklich handlungsorientierte Tipps bietet, die ganz auf Sword-and-Sorcery zugeschnitten wurden. Wer Fate Core mag, wer sich für Sword-and-Sorcery interessiert, bekommt ein Buch, das genau das gut funktionierend abdeckt. Wer Fate Core aber nicht mag, wird Malmsturm – Die Fundamente auch nicht mögen, denn mehr Fate als bei Malmsturm geht nicht.

Malmsturm – Die Fundamente

49,95€
8.8

Layout

8.0/10

System

10.0/10

Setting

9.0/10

Preis/Leistung

8.0/10

Pros

  • Gut durchdachtes Zusammenspiel von Regeln und Setting
  • Gute narrative Möglichkeiten erlauben eine Vielzahl an dramatischen Erlebnissen
  • Hohes Player Empowerment
  • Leicht zu erlernende Regeln
  • Kein Micromanagement für Ausrüstung, erlaubt schnelles Gameplay
  • Ideal für Sandbox-Spiel mit passenden Regeln und Spielleitungstipps

Cons

  • Das Setting wird sehr spät erklärt
  • Schlecht lesbares Inhaltsverzeichnis
  • Fate-Grundregeln werden vorausgesetzt
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Oli

Das Ergebnis müsste 88% sein – so hat es der Gastautor Finarfin gewertet. Da stimmt scheints eine der mathematischen Formeln nicht. Ich komme da frühestens heute Abend zu, das zu prüfen, also nicht wundern, wenn es auf einmal mehr wird!

Danke an Finarfin für diese ausführliche Rezension!

Sorry!

Luke Finewalker

Auch von mir nochmal herzlichen Dank an Finarfin für diesen ausführlichen Gastbeitrag! Wir sind schon sehr auf die Fortsetzungen gespannt.

FrostyPenandPaper

Fate Grundregeln können umsonst herunter geladen werden, genauso wie das Buch auch.
Bemängelt ihr bei einem Regionalwerk eines beliebigen Systems auch, dass man GRW zu der Regionalia haben muss?

versteh ich nicht ganz, irgendwelche Regeln muss man benutzen und diese sind sogar frei zugänglich.

Versteht mich nicht falsch, ich mag Fate auch nicht als Regelbasis, aber das ist rein subjektiv.
Frei zugängliche Regeln in einem anderen Buch führen hier zu Punktabzug, finde ich nicht fair

Oli

Wie mehrfach erwähnt ist dies eine Gastrezension, daher ist das „Ihr“ hier nicht angebracht. Es spiegelt die Meinung des Gastrezensenten wieder – und wenn er es als negativ empfindet und erwähnt, dann ist es eben seine Meinung.

FrostyPenandPaper

Ich spreche den Gastrezensenten gerne im Plural Majoris an 😀

Luke Finewalker

Genauer müsste das wohl unser Gastautor beantworten, aber ich vermute mal, dass der Kritikpunkt darin liegt, dass die Regeln nicht im Band selbst enthalten sind – dass es also für den Preis „nur“ eine Erweiterung ist und ein anderes Buch zum Spielen benötigt wird, egal was das letztendlich kostet. (Malmsturm – Die Fundamente selbst ist ja auch als PDF kostenlos verfügbar.)
Die Verwendung von Fate als Regelbasis an sich wird ja nicht kritisiert, sondern im Gegenteil hervorgehoben, wie gut Malmsturm damit zusammenpasst.
Mir persönlich ist aber auch nicht ersichtlich, weshalb das Setting „zu spät“ erklärt wird – irgendwo im Buch muss man ja damit anfangen und praktisch alle mir bekannten Systeme ziehen die Charaktererschaffung vor die Settingbeschreibung.
Aber so ist es halt, eine Rezension greift auch immer das subjektive Empfinden des Rezensenten auf.

FrostyPenandPaper

ja, ich habe auch überlegt ob ich das „zu spät“ ansprechen soll.
Ich selbst habe in meiner Rezi von einer ungünstigen Struktur gesprochen, Orkenspalter hat das auch nicht gut gefallen.
Ist vielleicht seltsam ausgedrückt, aber ich weiß, was da gesagt werden soll…

Luke Finewalker

Also falls das irgendwie missverständlich ausgedrückt war, ich finde die Struktur so keineswegs ungünstig. Ich finde es sinnvoll, solche Kapitel zu trennen, damit man am Stück durchblättern kann, wenn man entweder einen Charakter erschaffen oder den Hintergrund nachlesen will. Wie gesagt, die subjektive Meinung des Rezensenten spielt eben immer auch eine Rolle. Wäre ja nicht so, dass wir irgendwelche Industriestandards in der Szene hätten, oder sowas. 😉
Edit: Das gilt natürlich umso mehr, wenn man ein PDF mit Lesezeichen und Suchfunktion vorliegen hat, da ist die relative Anordnung der Kapitel gleich nicht mehr ganz so wichtig. Die Rezi hier bezieht sich ja wohl auf ein Printexemplar.

Raul Ehrwald

Da die Bewertung mit 8,8 von 10 Punkten sehr gut ausgefallen ist, würde ich behaupten, dass dieser Punkt relativ wenig Gewicht bei den Abstrichen hatte.

Oli

Übrigens haben wir die Rezensionen nun komplett umgebaut, eine Übersichtsseite dazu gibt es nun auch: https://pnpnews.de/rezensionen/

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