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Neuigkeiten aus der Welt der Pen & Paper Rollenspiele

Macht uns Rollenspiel zu besseren Menschen?

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Provokante Frage, oder? Bessere Menschen sind wir wohl definitiv nicht. Eine Rolle zu spielen ist in vielen Situationen alltäglich. Sich das Rollenspiel jedoch bewusst zu machen und ganz gezielt auszuüben bringt ganz neue Kompetenzen mit sich.

Wir verbringen Stunden, manchmal auch ganze Tage damit. Wir investieren Gefühl, Zeit und Energie in dieses Hobby, das irgendwie anders ist als andere. Aber was macht es so besonders? Was packt uns so, dass wir bereit sind, dafür so viel von uns zu investieren? Und wieso macht es uns so wahnsinnig, wenn andere das nicht begreifen oder es sogar verspotten?

Rollenspiel – ist es ein Wundermittel mit didaktischer Funktion oder eher die herrlichste Form des Eskapismus? Bedeutet es spielerisch zu lernen oder in eine andere Welt, ein anderes Leben, zu fliehen? Vieles erscheint möglich, je nachdem wie man Rollenspiel nutzt. Aber bevor wir uns absetzen und in die Tiefen der Optionen eintauchen, muss ich ein paar Grenzen ziehen. Denn was Rollenspiel kann, wie sollte man das abschließend betrachten können?

Also vorneweg, alles was nun folgt, sind meine eigenen Überlegungen, garniert und verfeinert mit Hintergrundwissen und Erfahrung. Dazu kommt die eine oder andere wissenschaftliche Publikation, die mir zu ähnlichen Themen in die Finger gekommen ist. Nichts davon hat Anspruch auf Allgemeingültigkeit, es ist viel mehr ein Anstoß für alle, sich ihre eigenen Gedanken zu machen.

Meine Bildung hab ich aus dem Rollenspiel!

Was ich über historische Strukturen, feudale Gesellschaften und Rittertum gelernt habe, stammte früher viel mehr aus dem Rollenspiel als aus meinen Geschichtsbüchern. Dass vieles davon Unsinn ist, habe ich erst später herausgefunden. Aber für den Anspruch, den ich damals an Bildung hatte, reichte es durchaus. Rollenspiel hat mir also etwas beigebracht – oder?

Nicht ganz. Rollenspiel selbst, also als Akt und Methode, ist eigentlich nicht gut geeignet, um Faktenwissen zu vermitteln. Sprich, was es mit einem Feudalsystem auf sich hat oder was die Aufgaben eines Knappen sind, habe ich mir für das Rollenspiel angelesen, aber nicht im Spiel erfahren. Die Stärke des Hobbys lag also mehr darin, mich zu motivieren, mich mit eigentlich ziemlich trocken klingenden Themen zu beschäftigen, als mir diese wirklich beizubringen.

Ich nehme mir eben lieber die Spielhilfe zur Hand, die mir den Hintergrund meiner Charaktere zu beschreiben erlaubt, als ein Geschichtsbuch. Abseits von der rein optischen Aufmachung ist es also schlicht und ergreifend der Spaß am potenziellen Spiel, der mich zur Bildung treibt. Dies ist eine wunderbare Sache, denn Motivation ist häufig schwer zu finden. Umso wichtiger finde ich es auch, dass man beim Lesen von Spielbüchern etwas lernen kann und sich nicht nur Unsinn aneignet.

Was kann Rollenspiel?

Rollenspiel erlaubt es uns, neue Perspektiven einzunehmen. Mit jedem neuen Charakterkonzept können wir eine andere Weltsicht annehmen und die Spielwelt und die Handlungen darin mit fremden Augen betrachten. Das ist auch im Alltag eine meist sehr förderliche Eigenschaft, zumal wenn man kein völliger Einsiedler ist, sondern mit anderen Menschen zusammenarbeitet. Zudem ermöglicht es uns, uns auszuprobieren. Wie benehmen wir uns, wenn wir mal nicht der schüchterne Kerl am Rand der Gruppe sind, sondern der stolze Paladin und Anführer? Wie fühlt sich jemand, der ungebildet und in erbärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist? Ja, wenn wir wollen, können wir sogar einen Blick über Geschlechtergrenzen hinaus werfen und uns an eine ganz neue Erfahrung heranwagen.

Rollenspiel ist zudem ein äußerst soziales Hobby. Wir haben ständig Kontakt mit unseren Mitmenschen, kommunizieren mit ihnen, versuchen mit ihnen gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten. Teamplay ist für viele Rollenspiele ein entscheidender Faktor, und der entsprechende Erfolg der Runde fördert den Spaß an der Sache.

Die Grenzen des Spiels

Es macht Spaß, es fördert Kommunikation und neue Blickwinkel. Das sind eindeutig positive Eigenschaften. Aber wie bereits gesagt, Rollenspiel kann nicht alles. Die Methodik hilft hervorragend dabei, uns zu reflektieren und uns mit anderen Verhaltensweisen anzufreunden. Wenn es jedoch um Inhalte geht, hat sie ihre Grenzen recht schnell erreicht. Will ich mir Fachwissen aneignen, dann hilft Rollenspiel selbst nicht viel. Auch praktisches Wissen bleibt beim klassischen Pen & Paper Rollenspiel doch eher auf der Strecke.

Zudem braucht Rollenspiel auch immer eine gewisse Überwindung. Erinnern wir uns an unsere ersten Sessions zurück, dann fällt uns vielleicht auf, wie schwer es war, einfach mal loszulegen in der neuen Rolle. Noch schwieriger war die direkte Rede als sein eigener Charakter – und dann das stete Gefühl sich möglicherweise zu blamieren … Wer schon einmal Rollenspielübungen außerhalb des spaßigen Spielabends mit der eigenen Runde gemacht hat, der weiß vermutlich, wovon ich rede. Mit einer Gruppe Menschen ein Rollenspiel zu betreiben, sei es spielerisch oder zur Übung einer realen Situation, erfordert immer einen gewissen Mut.

Glücklicherweise wird es mit der Zeit einfacher. Aber Rollenspiel ist meistens gar nicht so einfach, wie es erscheint. Vor allem nicht mehr für erwachsene Menschen.

Was kann denn nun Rollenspiel?

Rollenspiel kann vieles, aber nicht alles. Für Selbstreflektion und das Erlernen von Verhaltensweisen ist es ein tolles Werkzeug. Für die Wissensvermittlung selbst taugt es weniger, aber es motiviert uns für Themen, die sonst vielleicht trocken oder langweilig wären.

Abseits davon hat jedes Rollenspielsystem auch noch seine ganz eigenen Stärken und Schwächen. Doch diese Blickpunkte sind Gegenstand für spätere Artikel.

Aber was sagt ihr? Kann Rollenspiel noch mehr als nur das, was ich aufgezeigt habe? Sind Rollenspieler vielleicht doch besser? Oder geht es eigentlich nur um Spaß und der ganze theoretische Kram ist Unsinn? Teilt mir eure Meinung mit!

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Nottel

Gestern erschien bei Orkenspalter TV ein Gespräch mit Armin Saß, in dem es ganz genau um einige der Kernpunkte geht, die hier angesprochen werden. Im unteren Abschnitt wird Rollenspiel als Werkzeug bezeichnet. Das sehe ich auch so und ich formuliere meine Erfahrung damit negativ in Bezug auf die Titelfrage: zu viele Rollenspieler nutzen das Werkzeug Rollenspiel nur sehr oberflächlich und damit sind auch keine Veränderungen weder positiv noch negativ bei ihnen zu erwarten. Der überwiegende Fall ist – um Saß zu zitieren- Rollenspiel für eine übersteigerte Version von sich selbst oder einen Aspekt davon zu verwenden und darin Bestätigung zu suchen. Dadurch wird eben gerade der genannte Perspektivenwechsel als Chance gezielt vermieden. Mein Erfahrung: Ja, Rollenspiel kann den Horizont von Menschen bereichern, aber nur wenn sie sich darauf einlassen.

Luke Finewalker

Interessante Überlegung. Es kommt sicher auch darauf an, welches „Handbuch“ man zu Rate zieht, und zu welcher Verwendung von „Rollenspiel“ dieses einen anregt. Da wären definitiv die Herausgeber*innen von Rollenspielen gefragt, ob man da nicht irgendwie mehr rausholen kann als nur „das hier sind deine Waffen, Zauber und Superkräfte, um deine Power Fantasy auszuleben“.

Oil

Oder geht es eigentlich nur um Spaß und der ganze theoretische Kram ist Unsinn?

Ja, das ist genau meine Ansicht vom Ziel des Spiels und dem theoretischem Überbau. Alle Begleiterscheinungen wie Teamgeist, Kommunikationsfähigkeit, Aufmerksamkeit, eine Rolle zu verkörpern, … sind eben dieses: Begleiterscheinungen.
Begleiterscheinungen die in anderen Gewichtungen und auch mit anderen Fähigkeiten beim Fussball, im Debatierklub, beim Lesen, beim Theather, beim Brettspiel uvm. vermittelt, erlernt und geübt werden.
Die Mischung an einzusetzenden und erlernbaren Fähigkeiten sind bei jedem Hobby und Freizeitbeschäftigung eine andere. Das macht aber nicht eines davon wirklich besser.
Um zur Grundannahme des Artikels zu kommen kann man aber sagen, dass jede gesellschaftliche Aktivität (und damit natürlich auch im Rollenspiel) positiv ist (solange man es nicht übertreibt) und damit auch im Regelfall einen ‚besseren‘ Menschen hervorbringt.

Michelangelo

Bester Artikel bisher, Etikette war auch super!

Jezz

Danke 😉

gone

Ich denke in erster Linie sollten wir zwischen den verschiedenen Arten von Rollenspielen unterscheiden. In der Psychologie, vorzugsweise sogar in der Psychotherapie, sind Rollenspiele durchaus ein Mittel, mit dem die Betroffenen in einem sicheren Rahmen Situationen trainieren können, mit denen sie in der ungefilterten Realität nicht so gut klar kommen. Die dort gemachten Erfahrungen können innerhalb des geschützten Bereich, in dem eine Therapie üblicherweise stattfindet, trainiert und getestet werden, in der Hoffnung, dass sich dadurch ein Denk- und Verhaltensmuster einstellt, das es dem Betroffenen nach der Therapie erlaubt besser mit solchen Situationen umzugehen. Auf der anderen Seite haben wir dann die Pen & Paper Rollenspiele, deren Augenmerk wohl tatsächlich eher auf Spiel, Spaß und eine gewisse Portion Eskapismus abzielt. Hier werden Dinge möglich, die in der Realität unmöglich sind. Sei es als Engel durch die Luft fliegen oder in die Rolle eines noblen Ritter schlüpfen, der die Prinzessin vor dem bösen Drachen rettet… Obwohl beides im Kern doch gleich ist, unterscheiden sie sich in der Ausführung und den geltenden Reglements.
Was Rollenspiel kann und was nicht hängt letzten Endes immer von dem Menschen ab, der es spielt und wie sehr er sich darauf einlassen kann. Ich habe Spieler erlebt, die ihre Arschloch-Seite im Rollenspiel ausgelebt haben, weil sie in der Realität aus Angst vor sozialer und psychologischer Konsequenzen lieber mit eingeklemmten Schwanz davon rennen (sorry für die kritische Formulierung!). Ähnliches hat ja auch schon @Nottel in seinem Kommentar zitiert. Da wird Rollenspiel zu einem Ventil, in dem vielleicht der aufgestaute Frust abgebaut und etwaige, in der Realität nicht durchführbare, Racheakte ausgelebt werden. Diese Personen haben dann auch selten die Bereitschaft oder auch die Fähigkeiten wirklich in eine andere Rolle zu schlüpfen und die Welt (ob nun Fantasy oder Realität) mit anderen Augen zu betrachten. Ich zähle mich selbst eher zu den Leuten, denen gerade dieser Perspektivenwechsel riesigen Spaß macht. Ich habe den noblen Ritter gespielt, der besagte Prinzessin rettet aber eben auch den ruchlosen Auftragskiller, der ohne Rücksicht auf Kollateralschäden seinem Ziel nach jagt. Mit ersterem bin gut klar gekommen, mit letzterem eher wenig. Hat das Auswirkungen auf mich gehab? Ja, ich denke schon. Im Rollenspiel meiner dunklen Seite zu begegnen hat mir deutlich gezeigt, wir wichtig mir der gegenseitige Respekt in Realität ist…
Auf die Frage „Was kann Rollenspiel?“ wäre meine Antwort daher: Viel. Aber in Abhängigkeit davon, was Spieler und Spielleiter daraus machen.

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