Karte zu Sicherheitstechniken im GRT-Paket
Wie ihr vielleicht schon mitbekommen habt, findet am 23. März der Gratisrollenspieltag 2019 statt. Seit einigen Tagen ist das Orga-Team hinter dem Projekt schon drauf und dran, euch auf ihrer Website die diesjährigen Paketinhalte vorzustellen. Unter all den tollen Beiträgen kann man die Karte zu Sicherheitstechniken von Thorsten und BeePeeGee leicht übersehen, die das Erzählspiel-Zine beisteuert – dabei ist das in diesem Jahr auf jeden Fall eine der ungewöhnlicheren Beigaben zum GRT.
Sicherheitstechniken im Rollenspiel
Was beim Rollenspiel passiert und wie wir uns dabei fühlen, können wir vorher nie genau sagen. Es können Situationen entstehen, die uns unangenehm sind oder sogar an traumatische Erlebnisse erinnern.
Erzählspiel-Zine
Um mit solchen Situationen (besser) umgehen zu können oder sie auch schon im Vorfeld zu vermeiden, wurde eine Reihe von Sicherheitstechniken entwickelt. Im Blogeintrag der EZler werden namentlich die Pause-Taste, die X-Karte und Grenzen und Ausblendungen erwähnt, die vermutlich auf der Karte im GRT-Paket näher beschrieben werden. Doch was hat es damit auf sich?
Die X-Karte
Die X-Karte, in der englischen Originalfassung X-Card genannt, ist vermutlich eines der bekanntesten Sicherheitswerkzeuge für Pen & Paper Rollenspiele. Eine deutsche Übersetzung dazu gibt es auch. Entwickelt wurde die X-Card von John Stavropoulos, der das Dokument samt dazugehörigen Erläuterungen komplett frei unter CC-Lizenz aufhttp://tinyurl.com/x-card-rpg zur Verfügung stellt.
John schreibt über die Verwendung der X-Card:
To use, at the start of your game, simply say:
John Stavropoulos
“I’d like your help. Your help to make this game fun for everyone. If anything makes anyone uncomfortable in any way… [ draw X on an index card ] …just lift this card up, or simply tap it [ place card at the center of the table ]. You don’t have to explain why. It doesn’t matter why. When we lift or tap this card, we simply edit out anything X-Carded. And if there is ever an issue, anyone can call for a break and we can talk privately. I know it sounds funny but it will help us play amazing games together and usually I’m the one who uses the X card to protect myself from all of you! Please help make this game fun for everyone. Thank you!“
Frei übersetzt könnte der Text in etwa so lauten (die Ausgabe des EZ mag davon abweichen):
Sag einfach zu Beginn des Spiels Folgendes:
„Ich brauche eure Hilfe. Und zwar dabei, dafür zu sorgen, dass unser gemeinsames Spiel uns allen Spaß macht. Wann immer sich jemand von euch bei irgendetwas unwohl fühlt … [ male ein X auf eine Karteikarte ] … hebt einfach diese Karte hoch oder zeigt mit dem Finger darauf [ lege die Karte in die Tischmitte ]. Ihr müsst euch dafür nicht erklären oder rechtfertigen. Es spielt keine Rolle, weshalb ihr die Karte einsetzt. Wenn wir die X-Karte hochhalten oder auf sie zeigen, entfernen wir einfach das entsprechende Thema aus unserem Spiel. Und falls es zu irgendeiner Zeit ein Problem gibt, kann jeder von uns um eine Pause bitten. Dann unterbrechen wir das Spiel und besprechen die Angelegenheit unter vier Augen. Ich weiß, das klingt vielleicht komisch, aber auf diese Weise können wir tolle Spiele miteinander spielen. Meistens muss sowieso ich die X-Karte benutzen, um mich vor euch allen zu schützen! Bitte helft mir, dieses Spiel zu einem großartigen Erlebnis für uns alle zu machen. Vielen Dank!“
Frei übersetzt von Luke
Als Entwickler dieser Sicherheitstechnik hat John sich mit dem Thema schon ausgiebig beschäftigt. Auf seiner Seite findet ihr weitere Anmerkungen und Erläuterungen zum Einsatz der X-Card und anderen Sicherheitstechniken sowie Antworten auf häufig gestellte Fragen.
Grenzen und Ausblendungen
Die anderen beiden genannten Techniken sind nicht ganz so leicht auf den Punkt zu bringen. Grenzen und Ausblendungen dürfte sich auf die Konzepte Lines und Veils beziehen, die ursprünglich von Spieleentwickler Ron Edwards 2003 im Rahmen seines Spiels Sorcerer geprägt wurden (genau genommen in der Erweiterung Sex & Sorcerer).
Dabei handelt es sich um thematische Grenzen, die im Rollenspiel gesetzt werden, sowohl individuell als auch auf das gesamte Spiel in der Gruppe bezogen. Lines oder eben Grenzen bezieht sich auf harte Grenzen, die unter keinen Umständen im Spiel vorkommen sollen – es wird eine klare Linie gezogen, die von niemandem am Tisch überschritten werden soll.
Veils bzw. Ausblendungen meint hingegen Themen, die als Bestandteile des Spiels angedeutet werden können, aber nicht näher ausgestaltet oder ausgespielt werden sollen. Wenn ein entsprechendes Thema im Spiel aufkommt, wird es bestenfalls vage umrissen und der Fokus des Spiels richtet sich wieder auf andere Dinge – vergleichbar mit der Filmtechnik des Abblendens.
Grenzen und Ausblendungen können wahlweise vor Beginn des Spiels vereinbart werden oder während des Spiels spontan festgelegt werden, wann immer ein entsprechendes Problem aufkommt. Eine nähere Beschreibung zum Konzept von Lines und Veils findet sich beispielsweise hier (englisch).
Die Pause-Taste
Den Begriff Pause-Taste konnte ich nicht ohne weiteres zuordnen. Meine Vermutung geht jedoch dahin, dass es sich um eine Variante oder Mischung der Technik Cut and Brake handeln könnte.
Die Begriffe Cut und Brake scheinen aus der Nordic-LARP-Szene zu stammen. Es handelt sich dabei um Safewords, die im (Live-)Rollenspiel verwendet werden, um direkt und unmittelbar Einfluss auf das Spielgeschehen zu nehmen. Cut (Schnitt) ist für Notfälle vorgesehen, wenn eine Situation im Spiel jemandem zu nahe geht; in diesem Fall wird das Spiel sofort unterbrochen, bis die Lage geklärt ist. Brake (Bremsen) signalisiert hingegen, dass das Spiel sich zwar momentan in eine für jemanden unangenehme Richtung entwickelt, fordert die Mitspieler aber nicht zum vollständigen Abbruch auf, sondern lediglich dazu, „gegenzusteuern“, den „Kurs“ zu korrigieren und die Intensität der Szene etwas zurückzufahren.
Ein anderer Aspekt einer Pause-Taste könnte auch einfach darin bestehen, jederzeit um eine sofortige Spielpause bitten zu können, ohne sich dafür erklären zu müssen, und sich ggf. räumlich vom Tisch entfernen zu dürfen. Ob in dieser Pause Probleme geklärt oder verarbeitet werden, wann (oder ob) das Spiel weitergeht und ob inhaltliche Veränderungen notwendig sind, muss in jeder einzelnen Situation entschieden werden.
Eine Bereicherung – auf jeden Fall für den GRT
Die Verwendung von Sicherheitstechniken im Rollenspiel wird in der deutschsprachigen wie auch internationalen Rollenspielszene immer mal wieder diskutiert. Auch innerhalb der PnPnews-Redaktion haben wir uns schon ausführlich mit dem Thema auseinandergesetzt und werden möglicherweise in der Zukunft nochmal darauf zu sprechen kommen.
Ob und wie man Sicherheitstechniken einsetzen möchte, und unter welchen Umständen, muss jede Spielrunde individuell für sich entscheiden. Viele von euch verwenden in ihren Runden sicherlich bereits ähnliche Techniken, ganz unbewusst und intuitiv, und haben ihnen bloß keine oder andere Namen gegeben. Für manche kann die Vorstellung solcher Techniken aber auch Denkanstöße liefern oder nützliche Sicherheitswerkzeuge mitliefern und auf diese Weise die eigene Spielrunde bereichern.
Alle drei hier geschilderten Definitionen sind nicht als verbindlich oder vollständig zu verstehen, sondern lediglich meine Mutmaßungen, was die Hintergründe der Karte zu Sicherheitstechniken des Erzählspiel-Zine angeht. Schon allein deshalb lohnt es sich, am 23. März einen Blick auf die Paketinhalte zu werfen – ich bin schon sehr gespannt, was uns dabei genau erwartet.
Jedem GRT-Paket sollen 10 Exemplare der Karte zu Sicherheitstechniken beiliegen. Außerdem soll es auch eine begleitende Website geben, auf der Vorlagen zum Ausdrucken sowie nähere Erläuterungen zu finden sein werden.
Natürlich bleibt das bei weitem nicht der einzige Anreiz, am GRT teilzunehmen oder in das Paket schauen zu wollen. Das Erzählspiel-Zine ist außerdem noch mit Schummelabenteuer vertreten, dann wäre da noch der GRT-Almanach 2019 – und viele andere tolle Sachen. Lasst euch das nicht entgehen!
Ich glaube das ist nicht meine Art von Spiel. Es ist eher traurig wenn Jemand nicht mehr in der Lage ist, sich temporär in eine für ihn unangenehme Situation zu befinden oder ein vermeintlich unangenehmes Thema zu ertragen.
Ich bin da eher einfach gestrickt. Ich lasse anderen ihren Spaß, ihre Marotten und auch ihre Übertretungen, und sollte mich wirklich etwas stören, dann spreche ich darüber zur richtigen Zeit (vor oder nach der Spielzeit) und wenn alles nichts hilft, dann suche ich mir eine Gruppe die besser zu mir passt.
Eine Gruppe auf eine Linie zu zwingen, also auf den kleinsten gemeinsamen Nenner aus den Befindlichkeiten Aller, wird den Spielspaß dann doch stark reduzieren.
Darüber haben wir intern auch etwas diskutiert. Womit ich gute Erfahrungen gemacht habe ist, dass man an dem Tag wo man die Charaktererschaffung oder Kampagnenvorstellung macht ein wenig darüber spricht, was jeder will und nicht will – meist konnte man damit schon einen großen Beitrag für Alle leisten.
Unbedingt. Ist genau die gleiche Frage, ob ein Held durch einen Zufall sterben können soll oder nicht. „Bei einer 14 auf deinem Würfel bist du tot“.
Der Spielrahmen wird bestimmt und wenn nötig immer wieder angepasst.
Hallo Oil,
Das trifft genau einen wichtigen Punkt: Warum sollten Leute während eines Spiels überhaupt etwas „ertragen“ müssen? Und warum soll es traurig sein, wenn sie es bei Themen wie Euthanasie, Vergewaltigung, Brandschatzen und Morden oder ähnlichen Dingen nicht ertragen können oder wollen? Die Sicherheitstechniken müssen nicht angewendet werden, wenn jemandem etwas „unangenehm“ ist, wenn etwas aber gerade schlimm-schlimm ist/wird, können sie helfen, sich kurz mitzuteilen. Unter Leuten, die sich kennen, ist das bestimmt auch ohne kein Problem, aber auf Cons und in Runden, wo sich Leute nicht kennen, kann es hilfreich sein.
Eingespielte Gruppen mit ähnlichen Interessen und Sensibilitäten werden keine der Sicherheitstechniken nutzen und das ist ja auch völlig okay – warum auch nicht?
Wenn du das kannst, ist das super und ich freue mich für dich. Das kann aber nicht jede*r und ich finde, es bricht sich niemand einen Zacken aus der Krone, wenn alle zu Beginn einmal wissen, dass die anderen für schwierige SItuationen offen sind und schnell darauf reagiert wird – und wenn es „nur“ ist, dass die betroffene Person weiß, dass sie ohne Gewissensbisse die Runde kurz oder permanent verlassen kann. Und wie du oben schriebst, dass du das „traurig“ findest, wenn Leute etwas nicht ertragen können (und dann auch noch „vermeintlich“, was ich ziemlich schlimm finde), gibt es eben Menschen, die in (neuen) Gruppen nicht so sicher sind oder schlechte Erfahrungen gemacht haben. Ich hoffe, dass das solche Menschen für dich oder andere nicht zu „Pussys“ oder „Psychos“ macht. Und wir sprechen hier zumeist von unerwarteten Situationen oder Elementen, die im äußersten Fall dazu führe können, dass jemand kurz ein X-Zeichen mit den Armen macht und dann gegebenenfalls kurz oder permanent aus der Situation geht.
Niemand wird auf irgendetwas „gezwungen“. Ich frage mich ernsthaft, woher solche „Katastrophisierungen“ kommen, die andeuten, dass jemand mit seinem Verhalten die Gruppe quasi manipuliert oder kontrolliert. Es mag Leute geben, die das tun, das sind aber vermutlich nicht nur Leute, die eine vermeintliche Schwäche haben, sondern manchmal auch einfach nur Arschlöcher. Und die gibt es auf beiden Seiten. Da helfen auch keine SIcherheitstechniken.
Mit dem vermeintlich wollte ich nur ausdrücken, dass der eine dieses als schlimm empfindet und ein anderer jenes. Denn ob etwas schlimm ist, liegt da in aller Regel im Auge des Betrachters. Ja und ich finde es traurig, dass eine unangenehme Situation in der andere wohl gerade ihren Spaß haben (ein Spannungsbogen erzeugt wird oder sonst etwas) von einem Einzelnen nicht für eine beschränkte Dauer ‘ertragen’ werden kann, sondern eine sofortige Intervention bedarf.
Naja, wenn einer eine Notfallkarte zeigt, dann werden sich selbstverständlich alle danach richten oder man geht getrennte Wege. Ob du das nun Zwang nennst oder mit den wink (und Durchsetzung der eigenen Ansichten) mit dem Zaunpfahl, ändert daran nichts.
Um es überspitzt zu sagen, wenn man nur damit Zeit verbringen mag was man 100%ig toll findet, dann sollte man vielleicht lieber einen Lieblingsfilm schauen. Da kommen keine überraschenden und verschreckenden Dinge auf. Für eine Gruppe von Individuen ist das nichts, denn der Rahmen wo alle alles toll finden, nimmt die Würze des Spiels.
Jetzt kann man natürlich die schlimmsten Dinge auflisten (es zu „Katastrophisieren“) und fragen warum so etwas ertragen werden solle, doch die Frage stellt sich gar nicht. 1. gibt es solche Gruppe nahezu nicht und wenn dann vielleicht einmalig als Spannungsbogen oder als Ereignis, was dann in der Nachbetrachtung geklärt werden kann 2. wer doch mal eine Gruppe trifft wo die Helden die Meisterpersonen vergewaltigen, die Meisterpersonen die Helden und die Helden untereinander, dann geht man aus dieser Gruppe. Da braucht nichts ertragen werden.
Ich denke man kann es auch übertreiben mit der Überspitzung: nur weil man mal in einer unangenehmen Szene auf die Pause-Taste haut, versaut man nicht das komplette Erlebnis. Wer das glaubt, der hat etwas grundlegendes nicht verstanden. Das heißt nicht, dass alle alles toll finden müssen (auch wenn das wünschenswert wäre: wer will schon eine Runde, bei der *nicht* alle Teilnehmer das Spiel toll finden?), aber selbst beim gemeinsamen Filmabend kann man mal bei einer krassen Szene vorspulen oder darum bitten den Film abzubrechen und was anderes zu schauen, ohne dass es den Beteiligten „das Erlebnis“ versaut. Warum also nicht auch bei Rollenspiel?
Grade das Filmbeispiel finde ich aber eher für Oils Argumentation sprechend. Sagen wir, man schaut Star Wars zusammen und bei der Raumschlacht am Ende sagt jemand, „da sterben mir zu viele Menschen“ (bei der Menge an Personen auf dem Todesstern vielleicht nachvollziehbar) und daher spult man auf die Anfrage auf den Zeitpunkt nach der Schlacht. Mir persönlich würde es etwas von dem Film nehmen, jedenfalls wäre mein Erlebnis nicht mehr bei 100%.
Und das ist noch ein zahmes Beispiel, viel schlimmer wäre es bei Horrorfilmen oder noch actionreicheren Beispielen. Bei dem Star Wars Beispiel kann sich auch jemand bei den religiösen Themen wie der Macht angegriffen fühlen und daher Story überspringen. Daher finde es besser, sich vorher auszusprechen, welche Art von Film man sehen will. Das hilft auch dabei klar zu machen, das jemand nicht einfach einen Snuff Film oder ähnliches einlegen kann und damit die Situation provoziert.
Und diesen Teil des Films sehen zu können ist dir wichtiger, als wie sich einer deiner Freunde (der den Film mit dir schaut) dabei fühlt?
Sorry, aber das klingt für mich leicht psychopathisch.
Das hat Desca doch gar nicht gesagt. Desca hat gesagt: Wenn ich mich vorher auf „Krieg der Sterne“ einige, sollte wohl allen irgendwie bewußt sein dass es
a) um Krieg (ergo Gewalt, Verletzte und potentiell Tote) und
b) um Science Fiction im weitesten Sinne
geht. Wenn dann dem Mitgucker mittendrin auffällt, dass hier ja „Gewalt“ und „Tote“ vorkommen und das ja „gar nicht“ geht, oder „Roboterfilme immer total doof“ sind – ja, dann kann man sich natürlich darauf einigen, was anderes zu gucken. Prima. Aber irgendwie hätte ich darauf gebaut, dass bei der Vorauswahl diese Gedanken bereits durchgegangen wurden, und ich nicht mittendrin – wenn es vielleicht sogar drei anderen total gut gefällt – abbrechen muss.
Hm, ich sehe hier einige Nachteile, diese Karte direkt am GRT auszuteilen. Ich bin gespannt auf Euren Artikel zu diesem Thema und verbleibe hier nach wie vor sehr skeptisch.
Nunja. Ich habe mich bereits an anderer Stelle dazu ausgelassen, was ich davon halte. Wenn der Spielleiter eine Situation oder Szene beschreibt, bei der ein (!) Mitspieler ein schlechtes Gefühl hat (Angst, Traumata, Übelkeit, schlechte Erfahrungen, was auch immer) und er sich nicht traut, das zu sagen, sondern stattdessen auf die X-Karte zeigt, kann ich noch so halbwegs nachvollziehen. Was ich ich nicht nachvollziehen kann, ist der Umstand, dass die Szene dann gestrichen werden soll. Ohne Begründung. Äh ja, vielleicht sogar eine Schlüsselszene des Abenteuers. Der Spielspaß und die Immersion wird dann für die Befremdlichkeit eines einzelnen geopfert. Meinetwegen. Der Spielleiter weiß aber gar nicht, WAS jetzt so schlimm an der Szene war. Wie soll er weiter leiten? Lässt er die Spinnenmonster weg, die nackte Frau auf dem Opferaltar, die Vermummten mit den Hockeymasken, das Heulen des Windes? Was soll der SL denn nun machen? Und was passiert, wenn nach den nächsten zwei-drei Sätzen der Spieler wieder auf die Karte tippt? Davon abgesehen, den Satz des Erfinders „Meistens muss sowieso ich die X-Karte benutzen, um mich vor euch allen zu schützen! Bitte helft mir, dieses Spiel zu einem großartigen Erlebnis für uns alle zu machen. “ finde ich sowas von daneben. Der SL muss sich vor den Spielern schützen? Echt jetzt? Dann sollte man den SL Job sein lassen. Sorry, dafür habe ich kein Verständnis.
Natürlich sollte beim Einsatz eines solchen Hilfsmittels nach Möglichkeit kommuniziert werden, welches Thema genau das Problem darstellt. Oft lässt sich dann sicher dieses problematische Detail durch ein vergleichbares, aber nicht störendes ersetzen – dass dann gleich die ganze Szene gestrichen werden muss, sicherlich nicht immer der Fall.
Ich finde es allerdings sinnvoll und wichtig, die betroffene Person nicht zu zwingen, den Einsatz als solchen zu erklären oder sich dafür zu rechtfertigen. Deshalb beeinhaltet die Vorstellung der X-Karte diese eindeutige Aussage dazu.
Ich würde vorschlagen, das gleiche wie beim ersten Mal: das entsprechende Detail abändern und weiterspielen, sobald die Situation geklärt ist. Die Karte gilt ausdrücklich für alle am Spieltisch und sollte nicht in ihrer Nutzungshäufigkeit eingeschränkt werden.
Falls das innerhalb kurzer Zeit häufiger auftreten sollte, könnte man sich vermutlich mal außerhalb des Spiels über die Vorlieben und Abneigungen des Spielstils unterhalten und versuchen, einen für alle Beteiligten angenehmeren Stil zu finden.
Das mag möglichweise an meiner Übersetzung liegen – ich habe mich relativ eng am Ausgangstext gehalten. Ich lese da in dieser Passage einen gewissen humorvollen Unterton, den Versuch der Auflockerung, nachdem man ein so wichtiges Thema angesprochen hat. Paraphrasiert würde ich vielleicht sagen: „Hey, vermutlich bin dann nachher sowieso ich (als SL) derjenige, der die Karte am ehesten braucht, um mich vor euren blödsinnigen Ideen zu schützen.“ – Immer mit einem gewissen Augenzwinkern, denn natürlich sind die Ideen der Spieler nur in selteneren Fällen wirklich „blödsinnig“, aber damit dürften alle am Tisch sicher wissen, was gemeint ist.
Der zweite Satz hingegen ist ein typischer Fall von „amerikanischem Enthusiasmus“. Es ist schon klar, dass es gewisse kulturelle Differenzen gibt, wenn ich den in einer deutschen Spielrunde wortwörtlich so sage. 😉
Genau das ist aber der Punkt: Niemand muss diesen Text wortwörtlich so verwenden – würde ich sicherlich auch nicht tun. Das sollte unbedingt auf die spezifischen Personen zugeschnitten werden, die mit dir am isch sitzen – eigentlich wie bei allen Vorlesetexten.
Es ist lediglich ein Beispiel dafür, wie man die X-Karte in einer Spielrunde einführen könnte, für den Fall, dass sich jemand die Frage stellt, wie man das denn in der Praxis machen könnte.
Joa… was soll man dazu sagen? Mir persönlich geht das Wohlbefinden ALLER Mitspieler (und auch mein eigenes) zu jeder Zeit vor „Spielspaß“ oder „Immersion“.
Rollenspiel ist eine zwischenmenschliche Aktivität und es macht für mich einfach keinen Sinn, das Zwischenmenschliche der Aktivität selbst unterzuordnen.
Dass nicht immer ganze Szenen gestrichen werden müssen oder gar die Schlüsselszene (Rollenspieleisenbahn Endstation, bitte alle aussteigen!), habe ich ja oben schon geschrieben. In wiefern bei Anpassungen etwas maximaldramatisch „geopfert“ wird, oder einfach selbstverständlich angepasst werden kann, um möglichst reibungslos, aber auch ohne bei irgendjemandem Unbehagen auszulösen, weiterspielen zu können, ist natürlich eine Frage der Priorität. In dieser Hinsicht sollten sich dann aber alle am Tisch einig sein.
Herzlichen Dank an die PnPnews Redaktion für diesen ausführlichen Bericht!
Mein Anliegen bei der Sicherheitskarte ist es, dass alle sich am Spieltisch wohl fühlen und Spass haben. Wenn ihr eine Gruppe leitet und euch z.B. mit der X-Karte nicht wohl fühlt, lasst sie einfach weg.
Persönlich nutze ich am meisten Grenzen und Ausblendungen sowie die Pause-Karte.
Bei Rollenspiel-Neulingen kann ich mir gut vorstellen, dass die Technik „die Tür bleibt immer offen“ beruhigend wirken kann, wenn es die Option ausdrücklich gibt, aus der Gruppe rausgehen zu dürfen.
Die Pause kommt wahrscheinlich von Brie Beau Sheldon’s Script Change?
Danke für den ausführlichen Artikel!
Wer sich grundsätzlich solchen Kommunikationshilfsmittel verweigert, bei der Person frage ich mich welche Verlustangst da aufkommt bei ihrer Verwendung?
Im Zweifel erlaub es eher ein intensiveres Spiel und erweitert die Themen, die Teil unserer Geschichten werden dürfen.
Grenzen und Schleier ist einfach ein Teil strukturiertes Erwartungsmanagement… und wenn 80% der auftretenden Probleme beim Rollenspiel sozialer Natur sind (und die restlichen 20% durch gute soziale Dynamiken überbrückt werden können) lohnen sich solche Methoden einfach.
Weil es so dynamische Spiele sind, wissen wir aber auch nicht welche Themen in welchen Konstellationen aufkommen mögen. Die X-Karte ist ein Mittel im laufenden Spiel dabei zu helfen, dass alle einen erfüllende Session haben können.
Mit der Pause kommuniziere ich super schnell und ohne viel Reibungsverlust, dass das gerade heftig ist und mir nahe geht und ich einen Moment brauche, um mich da zu orientieren. Das drücken der Pause vermittelt ja die Intention genau an der Stelle bitte weiter machen zu können!
Hinzufügen würde ich ja noch die O-Karte (Beschreibung findet sich in dem Link zu John Stavropoulos) mit der wir schnell mitteilen können, dass auch wenn es gerade offensichtlich emotional sehr heftig ist im Spiel (wir gar da hocken und uns Tränen kommen, z.B.) wir gerade genau diese Spielerfahrung aber auch genießen. Bzw. als check-in mit einer Person, die gerade aussieht als wäre sie sehr mitgenommen von dem ganzen. O?
Wieso Verlustängste? Es ist wohl eher ein auf Erfahrung basierendes Unverständnis. Sowohl als Meister oder als Mitspieler merkt man wenn jemanden etwas unangenehm ist, merkt wann jemand bewegt ist und merkt auch wann jemand lieber ein anderes Thema bearbeiten möchte, und dann wird aus dem Zwischenmenschlichen ganz spontan entschieden wie zu reagieren ist und ob dem so ist. Da braucht es keine Karte, das Umfeld reagiert mit einem. Ganz natürlich.
Das mag in Jugendgruppen noch rigoroser gehandhabt werden und mit Sicherheit auch in einzelnen Erwachsenen Gruppen, aber ganz ehrlich, in der Jugend muss man da durch und als Erwachsener sollte man Erfahrungen der Jugend gemacht haben und als Ergebnis auch mal einer Gruppe Lebewohl sagen zu können.
Die Karten erinnern mich an die um sich greifenden Safespaces in Universitäten. Erwachsene, hoch gebildete Menschen, schaffen es nicht mehr sich einer aus ihrer Sicht ‘unangenehmen’ Ansicht auszusetzen und benötigen einen Fluchtort, einen Ort der Pause um sich dem zu entziehen.
Das diese Karten ein intensiveres Spiel erlauben und die Themenpalette erweitern würden, bezweifel ich, im Gegenteil sogar, eine Pause zerstört die Stimmung und eine Karte zur Vermeidung einer Szene nimmt diese. Der Punkt um das strukturiere Erwartungsmanagement ist für mich nicht verständlich.
Naja, anscheinend machen diese Techniken ja Angst? Warum würdest du dich sonst so an ihnen stören ohne überhaupt Erfahrung mit ihnen gemacht zu haben?
Sorry, Leute die glauben…
…überschätzen sich.
Weitere Kommunikationsmittel tun einfach nicht weh.
Und ja, aus vielfacher persönlicher Erfahrung mit diesen erlauben sie tieferes emotionales Spiel, egal ob in one-shots mit Fremden oder mit jahrelang vertrauten Freunden.
Es gibt klare kritische Ansichten zur Verwendung und Auswirkungen in bestimmten Situationen/Umfeldern und es ist vor allem auch wichtig die Limits dieser Kommunikationsmittel zu verstehen. Sie sind kein Allheilmittel und ersetzen nicht, dass wir auch sonst miteinander sprechen.
Aber all das ist weit entfernt und das Gegenteil einer Ablehnung ihrer Verwendung.
Hm. Heißt im Umkehrschluß doch dass ich, der ich nun bereits 30 Jahre spielleite, 30 Jahre Scheiße geleitet habe. Und DAS ist es, was mich ankotzt. Dass Leuten, die aus ihrer Erfahrung heraus sagen, die Karte brauch ich nicht, jegliche Kompetenz zum spielleiten abgesprochen wird. Das hat nichts aber auch gar nichts mit „Verlustangst“ zu tun. Im Gegenteil. Die Karte lädt Spieler zum Sabotieren der Geschichte ein. Alle schwallern um das für und wieder herum, aber eine Info, WIE ein SL nach Antippen der Karte erkennen soll, was dem Spieler nun sauer aufstößt, die hat keiner. Ich frage nochmal: Spieler tippt in einer Szene die Karte an, und nu? Er braucht ja nichts erklären. Szene wird gestrichen. Wie soll der SL weitermachen, ohne erneut mit dem Antippen konfrontiert zu werden? Und auf den Einwand des Erfinders, dass die Karte hauptsächlich dafür da ist, ihn vor den Spielern zu schützen, da geht auch keiner drauf ein. Komisch.
Dieser Umkehrschluss entzieht sich mir völlig? Also brauchst du dich überhaupt nicht angekotzt fühlen. Niemand spricht dir deine spielleiterischen Fähigkeiten ab.
Wahrscheinlicher ist doch sogar, dass mit deiner Vielzahl an Erfahrung aus drei Jahrzehnten du schon eigene Techniken drauf und verfeinert hast zu Beginn eines Spiels/Kampagne dich über die gemeinsamen Erwartungen mit deinen Mitspieler_innen auseinanderzusetzen? Moderatorische Techniken hast, um schwierigere Situation im Miteinander zu navigieren?
Wahrscheinlich lassen die sich gut auf diese Mittel abbilden, runden diese ab oder werden durch diese abgerundet.
Nicht alle haben aber diesen Erfahrungsschatz.
Leute, die Kommunikationsmittel missbrauchen, um das Spiel zu sabotieren? Die sabotieren dir das Spiel sowieso… von solchen feindseligen Einstellungen gehe ich erst gar nicht aus und mit solchen Leuten spiele ich nicht. Dafür lohnt es sich niemals irgendwelche Energie auszugeben oder Kompromisse einzugehen.
Johns Einwand des „Selbstschutzes“ ist kein Einwand; es ist ein Stilmittel als der Veranstalter und Spielleiter sich selbstironisch herabzuwürdigen, um das Machtgefälle zwischen sich und den anderen am Tisch abzubauen. Es ist eine Einladung , dass du dich bei ihm am Spieltisch ruhig in heftigere Themen wagen kannst, weil, sollte etwas wirklich unangenehm und nicht akzeptabel werden, alle ein MIttel haben das zu mitigieren, ohne, dass das ein negatives Licht auf dich wirft.
Nebenbei, du brauchst nicht raten was ge-X-kartet wird: die Person die antippt braucht nicht zu erklären warum sie etwas x-kartet. Was es ist, das rausgeschnitten gehört darfst du schon fragen.
Wie oben beschrieben, gibt es schon Kritikpunkte. Zum Beispiel liegt in der Situation, in der jemand die Karte antippt die ganze Last auf dieser Person, die ja eh schon wahrscheinlich unter erhöhtem Stress steht. Ihr dann die Möglichkeit zu geben, zu bestimmen was stattdessen passiert kann der Person genau die nötige Handlungskraft geben, die sie gerade braucht.
Und wenn nicht, diesen Schritt zurück zu machen und die Erzählung in eine andere Richtung gehen zu lassen, ist aber doch nicht wirklich ein Problem, oder? Da sitzen wir als eine ganze Handvoll Leute zusammen, deren Hirne alle in einem kreativen Modus sind, da finden wir doch schnell eine Alternative.
Wie gesagt, diese Mittel ersetzen nicht, dass wir miteinander reden. Du brauchst dich nur nicht rechtfertigen für ihren Einsatz. Sie sind eine Erweiterung und eine Formalisierung bestimmter Kommunikation.
Achso, nebenbei, eine tiefergehende Kritik und Alternative findet sich hier beschrieben (für den Monat oder so in dem G+ noch gibt):
PTSD, access to role-playing games, and the Luxton technique
Aber, wie am Titel schon zu sehen ist, geht es da speziell um den Kontext von posttraumatischen Belastungssyndromen.
Deswegen meine Bemerkung weiter oben, dass es wichtig ist sich der Limitierung der unterschiedlichen Techniken bewusst zu sein.
Zunächst einmal: Danke für die unaufgeregte Erklärung. Das ist bei dem Thema dann ja doch eher selten.
Ich kann Kreggens Unmut allerdings durchaus verstehen, aber so langsam glaube ich, wir spielen halt völlig unterschiedliche Spiele. Spielt Ihr auch Rollenspiele? Das klingt jetzt vielleicht doof, aber ich meine die Frage ernst. Ich meine:
Ich bin jahrelanger CTHULHU-Spielleiter. Es ist nahezu unmöglich für mich – und viele andere auch, wenn man die Berichte so liest – am Spieltisch echten HORROR zu erzeugen. Es gibt ellenlange Abhandlungen in Büchern und Webseiten darüber, wie es uns VIELLEICHT gelingt, einen Hauch von GRUSEL in unseren Spielern zu erzeugen, aber Horror? Kaum eine Chance. Da sind bereits alle außenstehenden Medien von der Beleuchtung bis zur Duftkerze durchgekaut, alle Soundtracks verglichen, hunderte Spielleitertipps niedergeschrieben worden, von Stimmgewalt bis zu „Schmeiß den Teller an die Wand“ a la Tynes. Und was ist? Irgendjemand macht einen blöden Witz und alle lachen. Niemand empfindet echten Horror am Spieltisch.
Und dann gibt es scheinbar eine Form von Spiel, in der ständig (?) derart tiefe Emotionen im Spiel sind, dass sich ein Spieler nicht davon lösen kann, ohne auf die Karte zu tippen und erst einmal um eine Auszeit zu bitten? In der er so tief berührt wird in Urängsten, Emotionen, Erfahrungen, dass es einen gesonderten Sicherungsmechanismus braucht? Ich meine: was spielt ihr da? Es unterscheidet sich völlig von allem, was ich je erlebt habe.
Versteh mich nicht falsch: ich halte es für richtig, vor einer Runde klarzumachen, wenn besondere Reizthemen (Kinder, Gewalt, Sex?) angesprochen werden; das den Spielern mitzuteilen. Dann kann man im Zweifel immer noch entscheiden, ob man das trotzdem will. Der Sinn dieser Karte – die ja durchaus auch für spielmechanische Zwecke genutzt werden KANN, wenn es ein Spieler darauf anlegt – ist in dem Spiel, das ich spiele, eher weniger gegeben.
Die Frage „Was spielt ihr eigentlich?“ ist tatsächlich ein wichtiger Punkt.
Ich habe selber auch vor sehr langer Zeit mit D&D-Red-Box und DSA1 angefangen. Damals kam ich auch nie auf die Idee, mir hätten irgendwelche Sicherheitstechniken gefehlt.
Tatsächlich betreibe ich auch für einen klassichen OSR-Dungen-Crawl keinen grossen Aufwand. Ich lege höchstens eine Pause-Taste in die Mitte und ermutige alle sich zu melden, wenn sie sich unwohl fühlen.
Persönlich habe ich die Erfahrung gemacht, das ganz alltägliche Settings und Themen oft viel brisantere Emotionen auslösen können.
Z.B. spiele ich gerne „Monsterhearts 2“. Da spielt man zwar Vampire, Werwölfe usw. aber auch gleichzeitig High-School-Schüler, die sich anbaggern, Cliquen bilden, gegenseitig mobben usw. Bei Themen wie Schulhof-Mobbing oder Beziehungskrisen kommt bei mir (und anderen) viel eher Unbehagen auf. Da empfinde ich die ganzen Sicherheitstechniken als sehr wertvoll.
Insgesamt gehen viele neuere Indie-Spiele m.E. schon in die Richtung, emotional intensives Rollenspiel rauszukitzeln. Als besonders stimmungsvoll fällt mir in letzter Zeit z.B. „Ten Candles“ ein.
Persönlich spiele ich auch gerne skandinavische Freeform-Rollenspiele wie z.B. Jeepform Spiele, die auch das dramatisch intensive Rollenspielen sehr stark fördern.
Insofern müssen wir uns vor Augen halten, dass wir bei der Diskussion tatsächlich über ganz unterschiedliche Situationen, Spielsysteme und Spielgruppen reden.
Was jede konkrete Spielrunde braucht, wird sicher unterschiedlich sein.
Danke BeePeeGee, dein Post erklärt einiges. Ich bin da ganz bei Seanchui, mein „Unmut“ (Verzeihung, wir sind alle Liebhaber des gleichen Hobbies) kommt tatsächlich daher, dass meine langjährige Art zu spielen und zu leiten vermutlich überhaupt keine derartigen tiefen Emotionen auslöst. Ich habe gestern noch mal in meiner aktuellen Gruppe gefragt, ob sie eine X-Karte o.ä. gewünscht hätten, als wir in dieser Konstellation im Oktober 18 zusammen angefangen haben. Tenor: Nö, wozu auch. Von Mosterhearts und Ten Candles hab ich schon einiges von Vereinskollegen gehört, die das auch bereits gespielt haben, und ich habe für mich beschlossen, dass das keine Spiele sind, die ich in meiner Freizeit brauche. Mitspielen ja (wenn sich ergeben solte), anbieten nein. Insofern scheint der Einsatz der Karte auch primär mit dem System und dem Spielstil zusammenzuhängen. Nun erklärt sich auch einiges, was der Erfinder der X-Karte in seinem Erklärungspamphlet ausführt. Ich werde beim GRT X-Karte oder vermutlich eher die Pausentaste einsetzen, um den Mechanismus zu testen. Danach werde ich entscheiden, ob das mein Spiel bereichert und meine Spieler sicherer macht.
Ja, schaut einfach mal, was (und ob) ihr daraus machen wollt und was für _euch_ Sinn macht. Auch unter Spieledesignern, die sich bewusst mit Sicherheitstechniken auseinandersetzen, gibt es zur X-Karte unterschiedliche Meinungen. So entscheiden sich z.B. Ben Lehmann (Link von Mathias) und jetzt auch Avery Alder bewusst eher für eine Pausetaste.
Ein weiterer Aspekt, der durch moderne Spiele dazu gekommen ist, ist mir noch eingefallen: Player Empowerment.
Wenn ich ein traditionelles Rollenspiel selber leite, habe ich die Zügel meist selbst in der Hand. Moderne Systeme wie z.B. Fate haben Mechaniken, um Spieler stärker in die Erzählung einzubeziehen. Manche Spiele funktionieren sogar ganz ohne Spielleitung.
Dadurch wird viel unvorhersehbarer, welche Inhalte in einer Spielrunde aufkommen.
„System matters but play culture matters more“? Also, ich denke ganz klar hat welches Spiel wir spielen einen großen Einfluss darauf. Monsterhearts gibt klare Ansage an alle am Spieltisch „to make the protagonists lives not boring“ und „to keep the story feral“.
Aber mein letztes Antippen der X-Karte war in einem DnD one shot, das wirklich nicht sehr bierernst daher kam XD
Ich würde das ganze, wie emotional ein Spiel wird auch mehr den Spieler_innen umhängen und weniger an der Spielleitung fest machen.
Also, als Spieler muss ich schon zum Spiel mit der Bereitschaft mich gruseln zu wollen, kommen, sonst wird das nichts? Ähnlich ist das mit Romantik im Spiel… aber auch damit, dass sich Fantasy episch anfühlen kann; das erfordert das aktive Mitarbeiten auf allen Seiten in meiner Erfahrung.
Um das überhaupt zu können muss ich eine gewisse Verletzlichkeit bei mir zulassen. Und so Sicherheitstechniken helfen dabei den Rahmen dafür zu geben.
Aber auch bei lockereren Spielen, finde ich sie hilfreich… eben um die Lockerheit aufrecht zu erhalten.
Damit benutzt du im Grunde eine eigene Sicherheitsmechanik, die vermutlich an das Konzept von (vorab besprochenen) Grenzen und Ausblendungen herangeht. Das ist eigentlich genau das, worauf ich hinaus wollte, als ich im Artikel schrieb:
„Viele von euch verwenden in ihren Runden sicherlich bereits ähnliche Techniken, ganz unbewusst und intuitiv, und haben ihnen bloß keine oder andere Namen gegeben.“
Diese ganzen Mechaniken mit ihren vielfältigen Überschneidungen sind auf jeden Fall eher wie ein Werkzeugkasten, aus dem man sich heraussuchen kann, was zum eigenen Stil passt. Ggf. passt man die entsprechende Vorlage auf die eigenen Bedürfnisse an. Gerade die Pause-Taste lässt da ja enorm viel Spielraum – irgendeine Form von „Wartet mal, lasst uns kurz anhalten.“ habe ich bisher in jeder Spielrunde intuitiv erlebt, ohne dass man sich vorher darüber abgesprochen hätte.
Ich denke, eine Runde, in der *garkeine* irgendwie gearteten Mechaniken nicht mal implizit und unbewusst auf sozialer Ebene ablaufen, ist eher selten.
Wenn man ein Spiel wie Cthulhu, oder vergleichbare Spiele mit Horror-Thematik, spielt, lässt man sich ja bewusst auf diese Themen ein. Wenn man abschätzen kann, dass einige der Inhalte einem Probleme bereiten – und man das nicht explizit so *will*, weil das für vielleicht einen Teil des Spaßes ausmacht – sollte man möglicherweise etwas anderes spielen.
Manchmal ist das in der Praxis aber nicht so leicht abzuschätzen – einerseits welche genauen Inhalte im Spiel auftauchen werden, andererseits, ob sie einem Probleme bereiten oder nicht. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Themen, die vermeintlich aushaltbar erscheinen, auch sehr plötzlich und unerwartet heftige Probleme verursachen können.
Auch können die Auslöser für einen Einsatz (beispielsweise) der X-Karte sehr viel vielseitiger sein, als man auf den ersten Blick denkt. Gewalt, Sex, Folter, das sind ja die „Klassiker“, bei denen man häufig Konfliktpotenzial annimmt.
Wenn man aber nach Beispielen sucht, wann die Karte tatsächlich zum Einsatz kommt – John Stavropoulos hat ein paar Beispiele auf seiner Seite stehen – findet man dabei auch Sachen wie: Ein NSC raucht – das störte den Spieler, der gerade versuchen wollte, mit dem Rauchen aufzuhören.
Ein Spieler hatte ein Problem mit dem Namen einer Schurkin („Catherine“), weshalb wird nicht erklärt. Dazu muss er sich im Selbstverständnis der X-Karte auch nicht äußern. Mit etwas Fantasie könnte man aber vermuten, dass es vielleicht der Name seiner Ex-Partnerin, seiner Chefin, oder eines kürzlich verstorbenen Familienmitglieds sein könnte.
So individuell wie Menschen eben sind, sind auch ihre Problemzonen. Vielleicht hat jemand kein Problem mit Beschreibungen von Gewalt in Kampfsituationen oder den morbiden Details, die man häufig in Horrorspielen antrifft, hat aber eine Phobie vor Nadeln oder ein persönliches Tabu, was Verletzungen der Augen angeht, oder hatte ein traumatisches Erlebnis mit Wasser und Ertrinken. In solchen Fällen ist die Einschränkung vermutlich nicht breit genug, dass sie ein bestimmtes Spiel (Cthulhu) oder Genre (Horror) per se ausschließt, aber vielleicht tief genug, dass sie große Probleme verursacht, wenn und falls sie denn doch im Spiel aufkommt und nicht rechtzeitig darauf eingegangen wird.
Es scheint auch die Vorstellung zu kursieren, dass so eine Mechanik „ständig“ im Einsatz wäre, alle paar Minuten oder so. Das kann ich mir kaum vorstellen, es sei denn, jemand in der Runde würde es darauf anlegen, mit seinem Spiel möglichst viele Tabus zu brechen und Grenzen zu überschreiten. In diesem Fall hätte der Spieler oder die Runde aber vermutlich ganz andere Probleme …
Was ich so mitbekomme, aus Actual Play Videos oder Podcasts, in denen die X-Card eingesetzt wird, finden diese Einsätze eigentlich nur selten statt, 1-2 Mal pro Episode, wenn überhaupt, und manche Einsätze sicherlich auch bewusst, um die Karte zu demonstrieren.
Und das ist ja das Gute daran: Wenn eine Sicherheitstechnik nicht gebraucht wird, muss sie nicht benutzt werden. Das wäre ja ein gutes Zeichen dafür, dass die Spielrunde so gut harmoniert, dass sich alle wohlfühlen. Dennoch kann es wohl nicht schaden, irgendeine Sicherheitsregelung getroffen zu haben, für den Fall, dass etwas problematisches auftritt.
Ich kann dieser X-Card Sache wirklich nichts abgewinnen. Die genannten Beispiele zeigen meiner Ansicht nach schon ganz klar, was das für ein Käse ist…
Oh nein! Ein Allerweltsname! Oh Nein, Rauch!
Wenn jemand auf dieser Stufe schon Probleme mit Spielinhalten hat dann kann ich mir wirklich nicht vorstellen, wie das schon bei einem 0815 Monster Dungeon Bash aussehen soll…
Es gibt sicher Spiele bei denen eine solche Mechanik hilfreich sein kann, aber das dürften eher Ausnahmen sein. Für Cons und einige der ganz besonderen Einhörner sehe ich da schon Horrorszenarien vor mir, bei dem manche Spieler quasi von allem gestört sind (Gewalt ist böse, das will ich nicht! -Aber wir spielen Shadowrun?! -Ja, aber ihr spielt das falsch!)
Diese Beispiele habe ich ja gerade deswegen gewählt, weil es vermeintliche „Kleinigkeiten“ sind, die den Betreffenden aber möglicherweise den Spaß am Spiel genommen hätten. Dieselben Spieler hätten vielleicht kein Problem mit den klassischen Reizthemen gehabt, Blut, Gewalt, Sex … wer weiß – aber genau *diese* haben sie nunmal gestört. Na und?
Der Aufwand, den man betreiben musste, um da Abhilfe zu schaffen, war so verschwindend gering, da ist selbst deine Aufregung hier zeitraubender. 😉
Dann verzichtet man in der NSC-Beschreibung halt darauf, dass der Charakter raucht, oder schreibt schnell einen anderen Namen hin – das tut sicherlich niemandem weh, kann aber dem Mitspieler vielleicht den Abend retten, wenn er nicht die ganze Zeit an seine Ex denkt oder daran, wie gerne er doch jetzt auch eine rauchen würde …
Aber klar, wenn du „schwerwiegendere“ Beispiele suchst, da findet sich eine ganze Liste mit Themen, die im Spiel in Anwesenheit des Entwicklers ge-X-Carded wurden.
Ich sag mal so, und das ist meine persönliche Ansicht, das dürft ihr gerne anders sehen – wir sind alle Menschen und wir bringen alle sehr unterschiedlichen Ballast an den Spieltisch mit. Für mich stehen eindeutig die Menschen im Vordergrund – wenn es denen gut geht, sie nicht von solchen vermeidbaren Sachen abgelenkt werden, haben vermutlich alle mehr von dem Abend.
Kann man so sehen, ich sehe es definitiv anders.
Danke für die Ausführungen, Brie Sheldon hatte ich bei der Recherche auch überflogen, anscheinend nicht gründlich genug. 😉
Die O-Karte fand ich auch sehr interessant – vor allem in Kombination mit anderen Mechaniken wie der X-Karte. Damit hätte man im Grunde eine Daumen hoch/Daumen runter-Mechanik, die aber vielleicht nicht pragmatisch genug für den tatsächlichen Einsatz wäre.
Mal eine andere Frage, da du dich mit dem Thema ganz gut auszukennen scheinst: Kennst du Sicherheitsmechaniken für rein stimmbasiertes Online-Spiel? (Also ohne Video, nur Voice-Chat?) Mir fällt dabei eigentlich nur ein, „dann muss man halt was sagen“, also beispielsweise verbal X-en, was gerade stört. Aber gibt es dafür auch andere Lösungen?
Oh, ich denke, egal ob voice oder video, der Textchat ist teilweise unser bester Freund? Weil Crosstalk, anders als am Tisch, online gar nicht funktioniert und alles sofort zum stoppen bringt bin ich großer Fan davon generell viel und „laut“ im Chat zu schreiben 😀
Also, dort einfach ein X, O, etc.
Ein…
„O?“
„o“
„O“
„O!“
…ist ein schneller Check-in ob wir in einer intensiven Szene alle noch gut an Bord sind.
Aber verbal geht es auch: „Das möchte ich x-karten“. (Aber wenn man selbst nicht Hauptaktiver in der Szene ist, ist es chat vielleicht besser.)
Hilft das?
Definitiv, vielen Dank. 🙂 Gute Darstellung mit den verschiedenen Schreibweisen. 😀
… vielleicht sollten Personen, denen das Rollenspiel zu Nahe geht, sich lieber ein weniger emotionales Hobby suchen, anstatt am Spieltisch mit einer Karte herumzuwedeln wie auf einem Fussballfeld (und damit anderen Mitspielern ~im günstigen Falle~ „nur“ eine Szene zu versauen)…
Tut mir leid, aber bei diesem Thema ist mir eine diplomatischere Reaktion nicht möglich. Ich bin meinungstechnisch total beim User Oil!
Ich bin ja gespannt wie das Echo auf die Karte ist wenn diese nicht unumstrittene Technik mal aus der Internetblase auf die restlichen Rollenspieler trifft.
Die Idee ist nicht völlig verkehrt, aber das Werkzeug halte ich für falsch, da es bereits impliziert, das man für ein Erzählspiel dringend einen Notaus benötigen würde.
Wie es schon weiter oben geschrieben wurde: Was spielen Menschen die sowas brauchen? Offenbar gänzlich andere Spiele als ich…
Es geht ja nicht um das Werkzeug, sondern um eine ganze Reihe von verschiedenen Werkzeugen, deren Effekte sich überschneiden und auch ergänzen. Viel wichtiger ist aber, sich mal darüber Gedanken zu machen, *dass* es da Möglichkeiten gibt, und ob man davon etwas gebrauchen kann oder sich auf dieser Basis eine eigene Regelung entwickeln kann. Wenn da tatsächlich keine Methoden gebraucht werden, um so besser – das ist doch ein hervorragendes Zeichen. 🙂