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Rezension: Neo-Anarchistische Enzyklopädie (Shadowrun)

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Die Neo-Anarchistische Enzyklopädie ist bereits seit ein paar Wochen auf dem Markt, aber wir wollten es uns dennoch nicht nehmen lassen, den Quellenband zu Shadowrun einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und auf Herz und Nieren zu prüfen.

Das Buch selbst

Mit 187 vollfarbigen Seiten in A4 bekommt ihr das Hardcover im typischen Format, das auch die anderen Shadowrun-Werke haben, sofern ihr euch nicht für die PDF-Datei entscheidet. Die Anfassqualität ist auf gewohnt hohem Niveau, die Schrift gut lesbar und die Bilder sind überwiegend an den Seiten platziert, was den Text gut einrahmt.

Ein nettes Gimmick sind viele kleine Texte, die bewusst Dinge andeuten. Ein Geistertaxi, das in den alternativen Bezirken Berlins fährt, ein irrer Geist, der über ein Chemiewaffendepot des Kalten Kriegs wacht oder eine viergehörnte Seegottheit, die im Schwarzwald angebetet wird. Selbst ohne konkrete Hinweise können diese kleinen Texte doch als Aufhänger für ganze Abenteuer dienen. Das ist natürlich mit etwas Arbeit verbunden.

Der Aufbau

Der alphabetisch gegliederte Aufbau macht es dabei relativ leicht, Dinge wiederzufinden. Freilich darf man nicht erwarten, zu allen Themen in Shadowrun etwas zu finden. Die Bandbreite gibt allerdings eine gute Übersicht über das Shadowrun-Universum. Doch zum Inhalt später mehr.

Ihr folgt den Seiten nach Buchstaben und findet dann zu (fast) jedem ein paar Beiträge. So reiht sich ein „C“ wie „Celedyr“ an „Chicago“.

Das Werk hat das typische Shadowrun-Problem, das auch andere Werke betrifft. Um vollumfänglich über eine Thematik informiert zu werden, muss man im Grunde an mehreren Stellen schauen. Das ist allerdings nicht zwangsweise die Folge schlechter Organisation. Einzelne Themen und Bestandteile innerhalb der Shadowrun-Welt sind enorm miteinander verzahnt.

Wenn wir zum Beispiel auf Seite 129 „Omnistar“ ansehen, werden wir auf die einzelnen Artikel zu DocWagon, Lone Star und Manadyne verwiesen. Omnistar ist die Fusion aus diesen drei Konzernen und wird daher auch in den Artikeln auf den jeweiligen Seiten erwähnt. Dennoch wünscht man sich insgesamt mehr zu dem eigentlichen Thema und weniger zu den Bausteinen, aus denen dieser neue Konzern besteht. Während also „Omnistar“ gerade mal zwei Sätze bekommt, finden wir dann zu den Fusionspartnern umso mehr. Dies ist zwar etwas störend, wenn man auf Seite 59 (für DocWagon) oder auf Seite 109 (für Lone Star) blättern muss. Manadyne hat hingegen überhaupt keinen eigenständigen Eintrag erhalten. Das macht die ganze Chose etwas holpriger, ist aber im Sinne der Organisation nicht anders zu bewerkstelligen.

Inhalt der Neo-Anarchistischen Enzyklopädie

Wer in der Neo-Anarchistischen Enzyklopädie Gegenstände, Fahrzeuge oder NSC-Werte erwartet, wird enttäuscht werden. Es handelt sich um ein reines Lore-Werk. Das bedeutet aber auch, dass man den gesamten Inhalt für alle Editionen von Shadowrun verwenden kann. Im Wesentlichen geht es nur um die Spielwelt und weniger um regelspezifische Details.

Wie viele andere Shadowrun-Werke ist auch die Enzyklopädie im Stile eine Erzählung gehalten. Eine fiktive Person präsentiert die Inhalte. Deshalb werden die Leser mitunter auch direkt adressiert. Dazu finden sich dann natürlich auch Kommentare anderer fiktiver Charaktere, die ihr Wissen oder ihre Meinung zum Besten geben. Aber das lässt auch Raum für Fehler zu. Da sollte man manchmal etwas aufpassen.

Klar im Fokus steht dabei die Shadowrun-Welt als solche. Wir finden als Artikel zu so gut wie jedem Bereich. Drachen, Konzerne, Bedrohungen, wichtige Personen, Technologien und mehr ergeben ein buntes Potpourri, bei dem der geneigte Leser eine Bandbreite an Themen anschneidet, die ihm eine Vorstellung des Shadowrun-Universums bieten.

Konzerne

Natürlich ist Shadowrun ohne die vielen Konzern nicht das, was das Spiel ausmacht. Neben einer Übersicht über die Geschichte der zehn größten Konzerne (auch AAA-Konzerne genannt) finden wir noch ein paar der kleineren Konzerne sowie die Entwicklungen dort. Beispielsweise taucht Omnistar als neuester Mitspieler auf der Ebene der AA-Konzerne auf. Auch Spinrad Global, neuestes Mitglied der großen Zehn, erhält eine Beschreibung. Dazu gehört auch NeoNET, welches vor nicht allzulanger Zeit untergegangen ist und den Platz für Spinrad Global räumte.

Drachen, Drachen, Drachen!

Selbstverständlich dürfen in der Neo-Anarchistischen Enzyklopädie auch die Drachen nicht fehlen. Wir kriegen eine große Übersicht über Drachen im Allgemeinen, also die Arten von Drachen, sowie die Großen Namhaften Drachen, die als Big Players in der Welt unterwegs sind. Hinzu kommen zwei bisher unbekannte Große Drachen.

So ist Kukulkan ein großer Drache, der vermutlich in ein Portal zu einer anderen Ebene verschwunden ist, nachdem er eine astrale Bedrohung bekämpft hatte. Ein anderer, Muchalinda, hat sich ganz dem Buddhismus verschrieben und ist in der Indischen Union zu finden.

Wem das noch nicht reicht, der kriegt sogar eine Übersicht über diverse Erwachsene Drachen, ihre Aufenthaltsorte und was sie so treiben. Drache Adalbern rennt zum Beispiel gern durch Europa in Trollgestalt und fängt Barschlägereien an, während eine gewisse Aparna Salatrezepte hortet. Aber es gibt auch ernstere Vertreter. Beast zum Beispiel agiert als Auftragskiller, was bei einem Drachen umso erschreckender ist, sollte man sich ihrer Fähigkeiten gewahr werden.

Aber es gibt auch eine kleine Rüge an dieser Stelle. Wie eingangs erwähnt, ist der subjektive Ton durchaus eine Möglichkeit, Fehler zuzulassen. Dies wird bei den Drachen interessant, denn Chimären werden hier zu den Drachen gezählt. Nach Shadowrun 4, genauer gesagt dem Quellenbuch Wildwechsel, handelt es sich bei Chimären um „Falsche Drachen“. Sie fallen nicht unter die Dracoformen (wie Drachen in Shadowrun wissenschaftlich bezeichnet werden), sondern unter Drakomorphe, also Wesen, die wie Drachen aussehen, aber keine sind. Ob dies nun ein inhaltlicher Fehler ist oder bewusstes Stilmittel, ist daher schwer festzustellen.

Dämonen

Interessanterweise werden Dämonen seit langer Zeit wieder direkt erwähnt. Bislang fanden Dämonen nur am Rande immer wieder Andeutungen (etwa in Verbotene Künste) oder bekamen kleinere Einträge (niedere Dämonen im Schattenhandbuch 2 / Metaebenen). Trotz des übergreifenden Metaplots kam ihnen jedoch keine besonders große Rolle zu. Nun, da sie einen Eintrag bekommen haben, besteht durchaus die Chance, dass sie mit der kommenden sechsten Edition auch im Metaplot wieder an Relevanz gewinnen werden.

Vorkenntnisse hilfreich

Wie aber ist der Inhalt zu sehen, wenn man sich nicht mit Shadowrun auskennt? In jedem Falle profitiert man auch mit wenigen Vorkenntnissen davon, so viel steht fest. Einige Artikel benötigen allerdings weitere Informationen und sind ohne Zusatzwissen mitunter verwirrend.

Wenn wir zum Beispiel den Artikel „Die Einhundert“ ansehen, wird dort etwa „Danielle de la Mar“ genannt. Ohne Zusatzwissen wird es etwas schwierig, ihren Standpunkt genau zu ermitteln, auch wenn man erfährt, dass sie in irgendeiner Art und Weise tiefer mit der Matrix zu tun hat. In Kombination mit dem Grundregelwerk der fünften Edition (und sicherlich auch mit der kommenden sechsten Edition) kann man die gröbsten Begrifflichkeiten dann auch identifizieren, etwa, was ein Host ist, oder was Technomancer überhaupt sind. Dann bleiben da aber trotzdem noch ein paar Dinge, die sicherlich schwerer zu verstehen sind und eine Organisation namens Hengester, wo vermutlich erst recht viele Fragezeichen aufkommen.

Fazit: Hilfreich, aber fragmentiert

Trotz der kleineren Rügen kann ich das Werk empfehlen. Shadowrun hat, wie viele andere Werke seiner Größe, das Problem einer gewaltigen Spielwelt mit vielen kleinen Bausteinen, die einen erstmal erschlagen können. Man muss sich auch klar sein, dass die Enzyklopädie sie nicht im Ansatz alle beantworten kann. Damit würde man sicherlich locker über 1.000 Seiten kommen, nur um geballtes Spielwelt-Wissen zu übermitteln.

Zur Erinnerung: Der Almanach der Sechsten Welt aus der vierten Edition mit Zeitlinie und groben Angaben zu den meisten Staaten und Städten der Welt kommt auf 219 Seiten und hat auch hier nur einen Bruchteil an Wissen!

Aber das tut der Sache keinen Abbruch, denn er ist durchaus gut geeignet, um die wichtigsten Besonderheiten von Shadowrun kennen zu lernen und sich mit der Materie für den Anfang vertraut zu machen. Er eignet sich sogar in begrenztem Maße, um das Charakterwissen zu repräsentieren. Natürlich abhängig vom Charakterstandpunkt, denn niemand kann alles wissen. Aber wer wirklich alles wissen will, wird enttäuscht werden. Denn wie so oft bekommt man auch hier nur einen Ausschnitt, nicht aber die vollumfängliche Wahrheit vermittelt.

Bei einem Preis von knapp 20 € bekommt man dennoch eine ganze Menge an nützlichen Hintergrundinformationen. Diese sind auch in der kommenden Edition allesamt brauch- und verwendbar, was ein absolutes Plus in Sachen Preis/Leistung ist. Die Neo-Anarchistische Enzyklopädie ist aktuell als Buch oder PDF verfügbar.

Neo-Anarchistische Enzyklopädie (Shadowrun)

19,95 €
7.3

Layout

8.0/10

Umfang

7.0/10

Ausführlichkeit

6.0/10

Preis/Leistung

8.0/10

Pros

  • Breite Palette an Themen
  • Eingestreute Gerüchte-Schnipsel können als Abenteueraufhänger genutzt werden
  • Beschreibungen zu den wichtigsten Themen, die auch den Metaplot betreffen

Cons

  • Vorwissen ist nötig, um Themen umfänglich zu verstehen.
  • Keines der Themen ist wirklich vollständig erklärt.
  • Sprunghafter, fragmentierter Aufbau
Quelle Drivethrurpg
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