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Kämpfe in Splittermond, Teil 2: Das Ticksystem

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Erst einmal willkommen zurück in meiner Serie Kämpfe in Splittermond! Nachdem wir uns im ersten Teil etwas mit der Bedeutung der Monstergrade auseinander gesetzt haben, geht es in diesem Artikel nun um das zentrale Element des Kampfsystems in Splittermond: Das Ticksystem.

Runden vs. Ticks

Vielen Rollenspiele unterteilen Kämpfe in Runden, die von 3 Sekunden (DSA, Shadowrun) bis zu 1 Minute (Swords and Wizardry) reichen können. Pro Runde kann sich jede Spielfigur in der Regel einmal bewegen und eine Aktion durchführen. Nicht selten gibt es Ausnahmen für kleinere Nebenaktionen oder besondere Bonusaktionen.

Doch in Splittermond gibt es keine Runden. Stattdessen bewegen sich die Figuren auf einen beliebig langen Zeitstrahl in kleinen Einheiten, die „Ticks“ genannt werden. Wie lange so ein Tick dauert, ist unterschiedlich. Das Grundregelwerk schlägt vor, einen Tick wie eine halbe Sekunde und 100 Ticks wie eine Minute zu behandeln. Es darf immer die Figur handeln, die gerade die wenigsten Ticks angesammelt hat. Je nach dem Aufwand der Aktion muss die Figur dann entsprechend auf dem Zeitstrahl vorrücken, der sogenannten Tickleiste. Üblicherweise sind die meisten kurzen Aktionen 5 Ticks lang, wie zum Beispiel Laufen.

Die Tickliste

Sofortige und kontinuierliche Aktionen

Des Weiteren muss man in den vollständigen Regeln zwischen sofortigen und kontinuierlichen Aktionen unterscheiden. (Für die Einsteigerregeln von Splittermond entfällt diese Unterscheidung.)

Bei sofortigen Aktionen wie einem Nahkampfangriff tritt die Wirkung sofort in demselben Tick ein, wo die Figur mit der Aktion anfängt. Bei einer kontinuierliche Aktion wie die Vorbereitung eines Zaubers hingegen tritt die Wirkung erst in Kraft, wenn die Figur wieder an der Reihe ist. Kontinuierliche Aktionen kann man unter- und abbrechen, sofortige hingegen nicht.

Die Eigenarten des Ticksystems

Durch das Ticksystem kommt es zu einigen Änderungen bei Splittermond im Vergleich zu vielen anderen Pen & Paper Rollenspielen.

1. Größere Waffen und mächtigere Zauber sind nicht immer die beste Wahl

In einem rundenbasierten Spiel macht es Sinn, entweder mit einer Waffe anzugreifen, die den meisten Schaden auf einen Schlag verursachen kann, oder den mächtigsten verfügbaren Zauber zu wirken. Gerade bei Zauberei ist es so, dass auf höheren Stufen die Zauber der ersten Stufen kaum noch zum Einsatz kommen.

In Splittermond hingegen kostet der Einsatz von schweren Waffen und Zauber im Kampf auch viel mehr Ticks. Während man nach dem Hieb mit einer Streitaxt erst einmal 11 Ticks braucht, um wieder an die Reihe zu kommen, verbraucht ein Dolchangriff nur 6 Ticks. Für jeden Angriff des Streitaxtkämpfers hat der Dolchkämpfer 2 Angriffe. Dafür verursacht die Streitaxt auch doppelt so viel Schaden wie ein Dolch.

Bei Magie hingegen kann es schwierig werden, im Kampf einen mächtigen Zauber zu wirken. Diese brauchen meist sehr lange und geben dem Gegner daher mehr Zeit, um den Zauberer entweder anzugreifen oder in Deckung zu gehen. Schwächere Zauber erlauben dem Gegner wiederum, wesentlich weniger Zeit, um darauf zu reagieren. Daher haben sie eine höhere Chance, erfolgreich zu sein.

Verschiedene Meisterschaften, Ausrüstungsgegenstände oder andere besondere Eigenschaften der Charaktere nutzen dieses Verhältnis zwischen Effekt und Tickkosten für Verbesserungen. Langsame Aktionen werden schneller und schwache Aktionen werden stärker.

2. Aktionen im Nahkampf sind eingeschränkt

Kontinuierliche Aktionen wie Aufstehen, Laufen oder einen Zauber vorbereiten können durch den Schaden aus erfolgreichen Angriffen unterbrochen werden. Dazu kommt, dass sie im Nahkampf Gelegenheitsangriffe auslösen. Aus diesem Grund sind gerade für schwache Kämpfer im Nahkampf die Möglichkeiten stark eingeschränkt. Jeder Versuch, dem Gegner zu entkommen, aufzustehen oder einen rettenden Zauber zu wirken, kann mit einem brutalen Angriff bestraft werden.

Es gibt einige Meisterschaften und Handlungen, die genau daran ansetzen, und bestimmte Aktionen vor Gelegenheitsangriffen schützen. Da Gelegenheitsangriffe den Gegner auch Ticks kosten, kann es auch sein, dass dieser auf einen verzichtet, um eher an die Reihe zu kommen. Aber in der Regel ist der Nahkampf in Splittermond daher für den schwächeren Kämpfer eine tödliche Angelegenheit. Die Entscheidung zur Flucht sollte besser so schnell wie möglich getroffen werden, solange man noch genug Lebenspunkte hat und einen Treffer einstecken kann.

3. Der Schlüssel zum Sieg ist die Kontrolle über die Tickökonomie

In einem rundenbasierten Spiel spricht man von der Aktionsökonomie, bei der man die Anzahl und den Effekt der möglichen Aktionen der Kampfparteien vergleicht. Ein einzelner Drache ist gegenüber einer vierköpfigen Abenteuerergruppe im Nachteil, wenn er nur eine Aktion hat, die Abenteurer hingegen vier. Meistens versucht man dies auszugleichen, indem man dem Drachen zusätzliche Aktionen oder eine besonders mächtige Aktion wie etwa einen Feueratem mit Flächenschaden gibt.

Auch in Splittermond kann ein ähnliches Problem auftauchen, wenn ein einzelner Kämpfer gegen mehrere Gegner kämpfen muss. Dieser muss dann so stark sein, dass die Gegner viele Aktionen verwenden müssen, um ihm mindestens einmal zu treffen.

Im Falle von großen Monstern wie Drachen bietet Splittermond das Monstermerkmal Koloss an. Kolosse erhalten zusätzliche Marker auf der Tickleiste und können damit jeweils separat angreifen. Sie verbrauchen aber gemeinsam Ticks, wenn der Koloss sich z. B. bewegen will. Wer in Splittermond herausfordernde Kämpfe anbieten möchte, muss deshalb im Vorfeld gut planen. Das Kampffeld sollte so aufgebaut sein, dass die Spielercharaktere erst einige Ticks benötigen, um in eine günstige Position zu kommen. Ihre Feinde wiederum sollten wenn möglich sofort agieren können.

Schwächeren Gruppen kann man hingegen eine Chance geben, indem man die Gegner erst einige Ticks verschwenden lässt, weil diese die Spielercharaktere erst erreichen müssen oder mächtige, aber vorhersehbare Angriffe ausführen.

Fazit zum Ticksystem: Das Spiel mit der Zeit

Wenn alles gut läuft, kann sich im Ticksystem von Splittermond jeder Angriff eines Monsters wie ein Countdown anfühlen. Die Spieler stehen unter Druck und haben vielleicht nur 12 Ticks, bevor der Oger den Magier mit seiner Keule den Schädel einschlägt.

Wenn es aber nicht gut läuft, dann kann die Aufspaltung der einzelnen Handlungen verhindern, dass bei den Spielern ein Gefühl von Dynamik entsteht. Dies ist besonders der Fall, wenn die Spieler sich noch unsicher darüber sind, welche Optionen sie in einem Kampf haben.

Über die möglichen Handlungen im Kampf wird es demnächst im dritten Teil der Serie gehen. Bis dahin: Mögen euch die Splitter gewogen sein!

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MMasberg

Schöner Artikel über das Kampfsystem – und verständlicher als die Lektüre im Regelwerk.
Das Ticksystem ist für mich der Dealmaker oder eben auch -breaker schlechthin. Für uns leider Letzteres – und der Grund, warum die Originalregeln für mich leider keine Option mehr sind. Es verschiebt die Dynamik am Spieltisch von Rollen- hin zu Brettspiel – aber gut, wir waren auch noch nie Freunde von Bodenplänen oder allgemein taktischen Kampfansätzen.

Sollte es eines Tages zu Splittermond 2 (SpliMoTwo?) kommen, hoffe ich sehr, dass das Ticksystem eine von zwei Möglichkeiten und nicht so tief in die DNA der Regeln eingeschrieben ist, dass man sie kaum ignorieren kann, ohne an Grundpfeilern der Spielmechanik zu rütteln. Und vorher habe ich garantiert herausgefunden, mit welchen Regeln wie bis dahin diese tolle, bunte und inspirierende Welt erforschen.

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